BAG fragt den EuGH zur Benachteiligung wegen des Alters

Die Einstellung einer persönlichen Assistenz zur Unterstützung eines Menschen mit Behinderung im Alltag darf auf dessen Wunsch auf Personen derselben Altersgruppe beschränkt werden. Die damit verbundene Altersdiskriminierung hält der EuGH für gerechtfertigt.

Ungleichbehandlungen wegen Alters können unter Umständen gerechtfertigt sein. Das Bundesarbeitsgericht hatte den Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorliegend vorab zu der Frage ersucht, ob eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters aufgrund der Beachtung von Rechten von Menschen mit Behinderungen gerechtfertigt werden kann.

Gegenstand des BAG-Verfahrens war die Klage einer 50-jährigen Frau, die eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen Altersdiskriminierung forderte. Sie hatte sich auf eine Stelle als persönliche Assistenz beworben, aber eine Absage erhalten. Der Arbeitgeber, ein Anbieter von Beratung, Unterstützung sowie Assistenzleistungen für Menschen mit Behinderungen, hatte die Stelle für Bewerber zwischen 18-30 Jahren ausgeschrieben. Diese Benachteiligung war gerechtfertigt, urteilte der EuGH.

Stellenanzeige: Weiblich zwischen 18 und 30 Jahren

Im Auftrag einer 28 Jahre alten behinderten Studentin suchte der Assistenzdienst in einer Stellenanzeige "weibliche Assistentinnen" in allen Lebensbereichen des Alltags, die "am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt" sein sollten.

Eine persönliche Assistenz führt Erledigungen des Alltags, Haushaltsführung, Gestaltung sozialer Beziehungen, persönliche Lebensplanung, Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie Sicherstellung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen durch. Leistungsberechtigte behinderte Menschen können die Assistenzpersonen entweder selbst einstellen oder durch eine Assistenz- oder Pflegekasse stellen lassen. Die Kosten werden vom zuständigen Sozialleistungsträger übernommen.

Berechtigten Wünschen ist zu entsprechen

Die 50-jährige Frau bewarb sich auf diese Stellenausschreibung und erhielt eine Absage. Mit ihrer Klage verlangt sie eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Die ausdrücklich an Assistentinnen im Alter "zwischen 18 und 30 Jahren" gerichtete Stellenausschreibung begründe die Vermutung, dass sie bei der Stellenbesetzung wegen ihres höheren Alters nicht berücksichtigt worden sei. Nach ihrer Ansicht ist ein bestimmtes Alter für das Vertrauensverhältnis im Rahmen einer solchen persönlichen Assistenz nicht relevant. Der Assistenzdienst vertrat die Meinung, dass die Ungleichbehandlung aufgrund der Rechte behinderter Menschen gemäß SGB IX gerechtfertigt sei.

Denn: Nach § 8 Abs. 1 SGB IX soll bei der Entscheidung über die Leistungen den berechtigten Wünschen des Leistungsberechtigten entsprochen werden. Dabei soll auf die persönliche Lebenssituation, das Alter, das Geschlecht, die Familie sowie die religiösen und weltanschaulichen Bedürfnisse der Leistungsberechtigten Rücksicht genommen werden.

SGB und AGG im Widerspruch

Danach haben behinderte Menschen also einen Rechtsanspruch darauf, nicht irgendeine Assistenz nehmen zu müssen, sondern dürfen konkrete Vorgaben machen, welches Geschlecht, welches Alter und welche Weltanschauung die Assistenzkraft haben soll. Hier kollidiert somit das SGB IX, das in solchen Fällen eine Altersauswahl zulässt, mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, das eine Diskriminierung wegen des Alters verbietet.

EuGH: Benachteiligung wegen Alters gerechtfertigt

Das BAG befragte in diesem besonderen Fall der persönlichen Assistenz daher vorab den EuGH nach einer Rechtfertigung der Ungleichbehandlung wegen des Alters und ersuchte ihn um Auslegung der EU-rechtlichen Bestimmungen.

Der EuGH stellte in seinem Urteil nun fest, dass die Absage der 50-jährigen Frau für die Stelle wegen ihres Alters erfolgte und somit eine unmittelbare Diskriminierung vorlag. Die Festlegung einer Altersanforderung könne jedoch auch nach Unionsrecht im Hinblick auf den Schutz des Rechts auf Selbstbestimmung des betreffenden Menschen mit Behinderung notwendig und gerechtfertigt sein.

Im vorliegenden Fall sei es nach den deutschen Rechtsvorschriften ausdrücklich vorgeschrieben, den individuellen Wünschen von Menschen mit Behinderungen bei der Erbringung von Leistungen der persönlichen Assistenz zu entsprechen. Der von einem behinderten Menschen geäußerte Wunsch nach einer persönlichen Assistenz einer bestimmten Altersgruppe ist nach Ansicht des EuGH geeignet, die Achtung seines Selbstbestimmungsrechts zu fördern.

Dieser müsse in der Lage sein, zu entscheiden, wie, wo und mit wem er lebe. Es sei vernünftigerweise zu erwarten, dass eine persönliche Assistentin, die derselben Altersgruppe wie der Mensch mit Behinderung angehört, sich leichter in dessen persönliches, soziales und akademisches Umfeld einfügt.

Hinweis: EuGH, Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-518/22, Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24. Februar 2022, Az. 8 AZR 208/21 (A).


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