"Junges Team mit Benzin im Blut": Keine Altersdiskriminierung in Stellenanzeige
Stellenanzeigen dürfen sich nicht nur an junge Bewerber richten. Die Anzeige muss altersneutral formuliert sein und darf keinesfalls den Anschein erwecken, dass ältere Bewerber nicht erwünscht sind. Eine fehlerhafte Formulierung wie "junges, dynamisches Team sucht..." kann nach einer BAG-Entscheidung ein Indiz für eine Diskriminierung sein und Entschädigungsforderungen von abgewiesenen Bewerbern nach sich ziehen. Vorliegend argumentierte der Arbeitgeber, dass die Formulierung "Wir sind ein junges, dynamisches Team mit Benzin im Blut und suchen Verstärkung" das Team beschreibe, nicht aber Anforderungen an den Bewerber. Das überzeugte das LAG Mecklenburg-Vorpommern.
"Junges, dynamisches Team": Diskriminierende Stellenanzeige?
Der Arbeitgeber ist Betreiber einer Tankstelle. Auf der Suche nach personeller Verstärkung schaltete er 2022 eine Stellenanzeige, in der es in der Beschreibung unter anderem hieß: Wir sind ein junges, dynamisches Team mit Benzin im Blut und suchen Verstärkung. Sie haben Spaß am Umgang mit Menschen, sind kunden- und serviceorientiert und arbeiten gerne selbstständig? Dann sind Sie bei uns genau richtig! Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte der Arbeitgeber neun Mitarbeitende im Alter von 19-67 Jahren.
Auf die ausgeschriebene Stelle bewarb sich ein 50-jähriger Mann als Verkäufer. Er erhielt im Juni eine Absage, mit der Begründung, man habe sich für einen anderen Bewerber entschieden. Tatsächlich wurde kurz später ein 48-jähriger Mann eingestellt. Der abgelehnte Bewerber verlangte zunächst per E-Mail eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung nach § 15 Abs. 2 AGG und forderte den Arbeitgeber gleichzeitig zur Auskunftserteilung nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO sowie zur Herausgabe seiner Daten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO auf.
Klage auf AGG-Entschädigung und DSGVO-Schadensersatz
Er war der Auffassung, dass die Formulierung "junges dynamisches Team" in der Stellenanzeige eine Altersdiskriminierung indiziere. "Jung" beziehe sich hierbei auf das Alter der zu suchenden Teammitglieder. Mit seiner Klage machte er dann sowohl einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe von 1.500 Euro nach dem AGG sowie auf Schadensersatz nach Art. 15 DSGVO in Höhe von 1.250 Euro geltend, weil der Arbeitgeber trotz entsprechender Aufforderung seiner Auskunftsverpflichtung nicht nachgekommen sei.
Der Arbeitgeber argumentierte, dass keine Altersdiskriminierung vorliege. Die Stellenbeschreibung enthalte weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Altersvorgabe, vielmehr beschreibe die Formulierung "Wir sind ein junges, dynamisches Team mit Benzin im Blut und suchen Verstärkung" das Team.
LAG Mecklenburg-Vorpommern: Keine Altersdiskriminierung in Stellenanzeige
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern entschied im Sinne des Arbeitgebers. Dieser habe die Stelle in seinem Betrieb nicht unter Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung ausgeschrieben. Daher habe der abgelehnte Bewerber weder einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG noch auf Ersatz eines materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG.
In seinem Urteil führte das Gericht aus, dass aus der entsprechenden Passage in der Stellenausschreibung "Wir sind ein junges, dynamisches Team mit Benzin im Blut und suchen Verstärkung" keine unmittelbare Diskriminierung des Alters zu erkennen sei. Die Formulierung beschreibe keine ernsthafte, realistische Erwartung an einen Bewerber, sondern stellt eine werbende Aussage darüber dar, was ein Bewerber oder eine Bewerberin im künftigen Arbeitsumfeld erwarten könne. Auch aus Sicht eines objektiven Betrachters werde erkennbar, dass die Gesamtformulierung eine Werbung für den Betrieb bilde, aber nicht etwa potentielle Bewerber von einer Bewerbung abhalten solle, weil sie kein Benzin im Blut haben.
Beschreibung des Teams ein Werbeslogan, keine Diskriminierung
Diese überspitzte, ironische, nicht ernsthaft gemeinte Beschreibung der zu besetzenden Stelle war nach Meinung des Gerichts eine Art Werbeslogan, aber nicht geeignet, die Vermutung einer Benachteiligung des Bewerbers wegen seines Alters im Sinne von § 22 AGG zu begründen. Das eigentliche Anforderungsprofil habe sich dagegen weiter unten in der Stellenanzeige unter dem Punkt "Wir erwarten von Ihnen" befunden.
Kein konkreter immaterieller Schaden wegen DSGVO-Verstoß
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern widersprach zudem der Auffassung des abgelehnten Bewerbers, dass allein ein Verstoß gegen die Vorschriften der DSGVO einen Schadensersatzanspruch gemäß Artikel 82 Abs. 1 DSGVO nach sich ziehe. Vielmehr hätte er einen konkreten immateriellen Schaden darlegen müssen, was er jedoch nicht getan habe.
Hinweis: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 17.10.2023, Az.: 2 Sa 61/23
Das könnte Sie auch interessieren:
AGG: Diese Fehler sollten Arbeitgeber bei der Stellenausschreibung vermeiden
Finanzielle Folgen einer unzulässigen Benachteiligung
Kein Generalverdacht auf Diskriminierung
-
Wann Urlaubsverfall und Urlaubsübertragung möglich sind
8.7224
-
Entgeltfortzahlung: Wenn unterschiedliche Krankheiten aufeinander folgen
8.579
-
Zusatzurlaub bei Schwerbehinderung von Arbeitnehmenden
6.979
-
Wann müssen Arbeitgeber eine Abfindung zahlen?
6.3762
-
Zulässige Differenzierung bei Inflationsausgleichsprämie
5.408
-
Urlaubsanspruch richtig berechnen
4.253
-
Wie Arbeitgeber in der Probezeit kündigen können
4.216
-
Nebenjob: Was arbeitsrechtlich erlaubt ist
3.661
-
Arbeitszeitkonto: Diese rechtlichen Vorgaben gelten für Arbeitgeber
3.311
-
Wann Arbeitnehmende einen Anspruch auf Teilzeit haben
3.2291
-
"Ethik kann helfen, die Arbeitskultur in Unternehmen zu stärken"
20.12.2024
-
Betriebsrat wegen Drogenkonsums gekündigt
19.12.2024
-
Gibt es ein Recht auf Nichterreichbarkeit im Urlaub?
18.12.20244
-
Die wichtigsten BAG-Urteile des Jahres 2024
17.12.2024
-
Unwirksame Versetzung aus dem Homeoffice
16.12.2024
-
Überstundenregelung diskriminiert Teilzeitbeschäftigte
12.12.2024
-
Keine Inflationsausgleichsprämie für Langzeiterkrankte
11.12.2024
-
Mindestlohn für Azubis erhöht sich 2025
10.12.20247
-
Urlaubsabgeltung bei fortdauernden Beschäftigungsverboten
09.12.2024
-
Beim Ehrenamt sind arbeitsrechtliche Fehleinschätzungen vorprogrammiert
05.12.2024