Entschädigung wegen Altersdiskriminierung in Stellenanzeige

Die Formulierung in einer Stellenanzeige "als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Datengetriebenen PR, des Bewegtbilds …. zu Hause" stellt ein Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters dar. Das hat das Arbeitsgericht Heilbronn entscheiden.

Wer in einer Stellenanzeige Bewerberinnen und Bewerber ansprechen will, die sehr firm in der digitalen Welt und in der digitalen Sprache sind, ohne dass eine konkrete Altersgrenze gezogen wird, sollte dies auch so formulieren. Wenn in der Stellenausschreibung jedoch explizit "Digital Natives" gesucht werden, deutet es darauf hin, dass der Arbeitgeber Mitarbeitende sucht, die einer Generation entstammen, die von Kindesbeinen an die digitale Sprache von Computer, Videospielen und Internet verwendet. Das Arbeitsgericht Heilbronn sah in der Formulierung ein Indiz für die Benachteiligung älterer Bewerberjahrgänge, was im vorliegenden Fall zu einer Entschädigungszahlung von 7.500 Euro an einen abgelehnten Bewerber führte.

Der Fall: Diskriminierung wegen Alters in Stellenanzeige

Der Arbeitgeber, ein international agierendes Handelsunternehmen im Bereich Sportartikel, inserierte im April 2023 auf zahlreichen Internetplattformen eine Stelle als "Manager Corporate Communication (m/w/d) Unternehmensstrategie in Vollzeit". In der Stellenanzeige hieß es unter anderem: "Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Daten-getriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause."

Auf diese unbefristete Position bewarb sich ein ausgebildeter Diplomwirtschaftsjurist, Jahrgang 1972, über das Online-Karriereportal. Per E-Mail erhielt er eine Absage. Daraufhin machte er geltend, dass er wegen seines Alters diskriminiert worden sei. Zum Zeitpunkt der Bewerbung war er über 50 Jahre. Aus seiner Sicht erfolgte die Ablehnung aufgrund seines Alters.

Abgelehnter Bewerber fordert AGG-Entschädigung

Der Arbeitgeber habe mit der gewählten Formulierung "Digital Native" direkt auf das Merkmal Alter abgestellt und damit zum Ausdruck gebracht, dass es ihm nicht darum gegangen sei, technisch versierte Bewerber anzusprechen, die mit digitalen Medien gegebenenfalls nach intensivem langjährigem Studium souverän umgehen können. Sogenannte "Digital Immigrants" wie ihn habe er somit in der Stellenanzeige ausgeschlossen. Als Entschädigung für die AGG-Diskriminierung verlangte er 37.500 Euro.

Digital Native vs. Digital Immigrant

Der Arbeitgeber brachte dagegen vor, dass der Bewerber als Wirtschaftsjurist für die Stelle überqualifiziert gewesen sei, zudem habe in der Bewerbung jeglicher Bezug zum Thema Sport gefehlt. Das Alter habe dagegen keine Rolle gespielt. Mit der Verwendung des Begriffs „Digital Native“ sei kein Indiz verbunden, dass ein Bewerber eines bestimmten Alters gesucht gewesen sei.  Es gebe unzählige Angehörige der vermeintlichen "Digital-Immigrant"-Generation, die mit den neuen Medien genauso gut umgehen könnten, als wären sie damit aufgewachsen. Letztlich habe er nicht einen "Digital Native" an sich gesucht, sondern vielmehr die Eigenschaften verlangt, die eine für den Job geeignete Person mitbringen muss.

ArbG Heilbronn: AGG-Entschädigung ja, aber nicht in voller Höhe

Das sah das Arbeitsgericht Heilbronn anders. Es entschied, dass der abgelehnte Bewerber einen Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG auf eine Entschädigung gegen den Arbeitgeber hat. Allerdings hielt das Gericht die Vorstellung des Bewerbers von einer Entschädigung in Höhe von fünf Monatsvergütungen für übertrieben. Aus Sicht des Gerichts waren 1,5 Bruttomonatsgehälter ausreichend, folglich seien 7.500 Euro eine angemessene Entschädigung.

Das Arbeitsgericht Heilbronn machte deutlich, dass unter dem Begriff "Digital Native" üblicherweise jemand verstanden werde, der mit digitalen Technologien aufgewachsen ist. Der Begriff beziehe sich im üblichen Sprachgebrauch auf die jüngere Generation. Wenn dagegen die Fertigkeiten und Kenntnisse allein gemeint gewesen seien, hätte der Arbeitgeber den Begriff "Digital Native" auch einfach weglassen können.

Digital Native: Begriff ist Indiz für Altersdiskriminierung

So aber lasse der Begriff vermuten, dass eben "Digital Immigrants", also Personen, die nicht mit digitalen Technologien aufgewachsen sind, sich diese aber angeeignet haben, nicht aufgefordert seien, sich zu bewerben. Die Begrenzung des Bewerberkreises auf solche Personen, die die Eigenschaft "bereits in die Wiege gelegt bekommen haben", anstatt sich auf die fachlichen Anforderungen zu beziehen, ließ das Gericht eine Benachteiligung wegen Alters vermuten. Dem Arbeitgeber sei es im Verfahren nicht gelungen, diese Vermutung auszuräumen. Ein rechtmissbräuchliches Verhalten des abgelehnten Bewerbers war für das Gericht nicht ersichtlich.


Hinweis: Arbeitsgericht Heilbronn, Urteil vom 18.1.2024, Az. Ca 191/23


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