Kein digitales Zugangsrecht der Gewerkschaft

Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, die dienstlichen E-Mail-Adressen von Beschäftigten an die tarifzuständige Gewerkschaft herauszugeben. Das hat das BAG entschieden.

Gewerkschaften wünschen sich digitale Zugangsrechte. Verständlich, wenn man sieht, dass die meiste Kommunikation heute digital abläuft und viele Mitarbeitende ihrer Tätigkeit im Homeoffice nachgehen und daher gar nicht vor Ort sind. Der Koalitionsvertrag der Ampel sah ein digitales Zugangsrecht für Gewerkschaften vor, der Referentenentwurf für das Tariftreuegesetz enthielt entsprechende Änderungen. Doch die derzeitigen gesetzlichen Regelungen geben ein digitales Zugangsrecht zugunsten von Gewerkschaften nicht her, hat das BAG gerade wieder in einem Urteil deutlich gemacht.

Der Fall: Gewerkschaft verlangt E-Mail-Adressen 

Die Gewerkschaft stritt bereits sei 2020 mit dem Arbeitgeber, einem Sportartikelhersteller, darüber, im Betrieb digital Werbung betreiben zu dürfen. Dort sind etwa 5.400 Beschäftigte tätig, die meisten von ihnen haben eine namensbezogene, unter der Domain des Arbeitgebers generierte berufliche E-Mail-Adresse. Die betriebsinterne Kommunikation findet zum größten Teil digital statt – unter anderem über E-Mail, die von Microsoft 365 entwickelte Anwendung Viva Engage und das konzernweite Intranet statt.

Die Gewerkschaft war der Meinung, der Arbeitgeber sei verpflichtet, ihr einen "Zugang" zu diesen Kommunikationssystemen für die Mitgliederwerbung einzuräumen. Sie forderte den Arbeitgeber auf, ihr sämtliche betrieblichen E-Mail-Adressen der Beschäftigten zu übermitteln. Um eine bestimmte Anzahl werbender Beiträge einstellen zu können, forderte sie zudem einen Zugang als "internal user" zum konzernweiten Netzwerk bei Viva Engage. Außerdem verlangte sie vom Arbeitgeber, auf der Startseite seines Intranets eine Verlinkung mit einer Webseite der Gewerkschaft vorzunehmen.

BAG: Kein Anspruch auf Übermittlung der E-Mail -Adressen

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auch vor dem Bundesarbeitsgericht hatte die Gewerkschaft mit ihrem Begehren keinen Erfolg. Das oberste Arbeitsgericht wies in seinem Urteil darauf hin, dass der Gesetzgeber in Bezug auf ein digitales Zugangsrecht der Gewerkschaften bisher nicht tätig geworden ist. Insofern habe das Gericht vorliegend eine Abwägung der unterschiedlichen Positionen vornehmen müssen, die zu Ungunsten der Gewerkschaft ausfiel.

Das BAG betonte zunächst, dass die Gewerkschaft grundsätzlich aufgrund der in Art. 9 Abs. 3 GG geschützten koalitionsgemäßen Betätigungsfreiheit das Recht habe, betriebliche E-Mail-Adressen für die Werbung von Mitgliedern zu nutzen. Allerdings verneinte es einen Anspruch der Gewerkschaft auf Herausgabe der E-Mail-Adressen von Beschäftigten durch den Arbeitgeber. Es stellte dazu fest, dass bei der Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit auch die einem solchen Verlangen widersprechenden Grundrechte des Arbeitgebers sowie die Grundrechte der Arbeitnehmer betrachtet werden müssten. Alle betroffenen Positionen seien im Weg der praktischen Konkordanz in Ausgleich zu bringen, sodass sie trotz ihres Gegensatzes für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden. Das sei bei dem Verlangen nach bloßer Übermittlung der betrieblichen E-Mail-Adressen nicht möglich. Daher war der hierauf gerichtete Klageantrag der Gewerkschaft erfolglos, stellte das BAG fest.

Schutz von Mitarbeitenden

Hilfsweise hatte die Gewerkschaft auch auf Mitteilung der betrieblichen E.-Mail-Adressen und Duldung ihrer Verwendung in bestimmtem Umfang geklagt. Auch diesen Klageantrag lehnte das BAG ab. Das BAG fand, dass die Belastungen, die für den Arbeitgeber mit dem Leistungs- und Duldungsverlangen einhergehen, ihn erheblich in seiner verfassungsrechtlich garantierten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit einschränkten. 

Der Gewerkschaft bleibe immer noch die Möglichkeit, so der Hinweis des Gerichts, das E-Mail-System des Arbeitgebers zu Werbe- oder Informationsmaßnahmen zu nutzen. Sie könne beispielsweise die Arbeitnehmenden vor Ort im Betrieb nach ihrer betrieblichen E-Mail-Adresse fragen. Gerade auch im Hinblick auf die geschützten Grundrechte der Arbeitnehmer stelle dies den schonendsten Ausgleich dar, machte das Gericht deutlich.

Ohne Erfolg blieb ebenfalls der Klageantrag auf eine Nutzung des konzernweiten Netzwerks bei Viva Engage. Hier entschied das BAG, dass die damit verbundenen Beeinträchtigungen des Arbeitgebers das durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Interesse der Gewerkschaft an der Durchführung solcher Werbemaßnahmen übersteige.

Eine Verlinkung im Intranet des Arbeitgebers konnte die Gewerkschaft auch nicht umsetzen. Mangels einer planwidrigen Regelungslücke im Betriebsverfassungsgesetz könne die Gewerkschaft sich nicht auf eine analoge Anwendung von § 9 Abs. 3 Satz 2 BPersVG stützen, entschied das BAG. Es ließ offen, ob sich ein solcher Anspruch grundsätzlich aus Art. 9 Abs. 3 GG ergeben kann.


Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28. Januar 2025, Az. 1 AZR 33/24; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 26. September 2023, Az. 7 Sa 344/22


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