AGG-Entschädigung wegen diskriminierendem Beraterwechsel

Wenn Beschäftigte durch Dritte diskriminiert werden, muss der Arbeitgeber handeln, um den Mitarbeitenden zu schützen. Ansonsten kann er sich entschädigungspflichtig machen. Dritte sind beispielsweise Kunden oder Lieferanten des Arbeitgebers. Vorliegend forderte eine Bauherrin, also eine potenzielle Kundin, nicht von einer Frau, sondern lieber von einem Mann beraten zu werden. Anstatt sich wegen dieser Benachteiligung schützend vor seine Mitarbeiterin zu stellen, entzog der Arbeitgeber ihr die Beratung in dem Fall. Damit benachteiligte er seine Mitarbeiterin selbst unmittelbar, so das LAG Baden-Württemberg. Die Entschädigung fiel jedoch geringer als beantragt aus.
Wunsch einer Kundin nach Betreuung durch einen männlichen Berater
Die Arbeitnehmerin war seit 1992 zunächst als Architektin, dann im Vertrieb beschäftigt. Unternehmensintern wurde sie 2023 einer Bauinteressentin als Beraterin zugeordnet. Die potenzielle Kundin wandte sich telefonisch an den Regionalleiter, und teilte ihm, keine Frau als Beraterin zu wollen. Der Vorgesetzte übernahm daraufhin die Betreuung der Bauinteressentin. Die Arbeitnehmerin wandte sich daraufhin sowohl an den Regionalleiter als auch an die AGG-Beschwerdestelle und machte eine Diskriminierung geltend. Sie machte den Beraterwechsel rückgängig und kontaktierte die Bauherrin erneut. Diese beschwerte sich jedoch wieder beim Vorgesetzten der Architektin. Zwar bedauerte sie ihre Wortwahl und erklärte, dass es nicht darum gehe, dass es sich um eine Frau handele, verlangte aber dennoch einen anderen Ansprechpartner. Letztlich blieb es dabei, dass der Regionalleiter die Bauherrin betreute, weshalb der Arbeitnehmerin eine mögliche hohe Provision verloren ging.
Arbeitnehmerin verlangt AGG-Entschädigung
Die Arbeitnehmerin verlangte vom Arbeitgeber den Ersatz eines immateriellen Schadens nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts, in Höhe von 84.000 Euro. Sie warf dem Arbeitgeber, insbesondere in Person des Regionalleiters, vor die diskriminierende Äußerung der Bauinteressentin einfach akzeptiert zu haben. Anstatt zu versuchen, die Bauinteressentin davon zu überzeugen, dass eine Frau als Beraterin gleich oder sogar besser qualifiziert sei als ein männlicher Berater, habe er sich in keiner Weise schützend vor sie gestellt. Das LAG Baden-Württemberg stellte fest, dass die Mitarbeiterin einen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 15 Abs.2 AGG wegen einer Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts habe. Die Höhe bezifferte das Gericht auf 1.500 Euro.
LAG: Diskriminierung durch Arbeitgeber
Der Anspruch auf Entschädigung setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus. Da die Bauherrin vorliegend nicht von einer weiblichen Person, der Arbeitnehmerin, sondern von einem männlichen Berater betreut werden wollte, lag hierin eine primäre geschlechtsbezogene Diskriminierung vor. Der Arbeitgeber habe die Mitarbeiterin aber auch selbst unmittelbar benachteiligt, stellte das LAG Baden-Württemberg fest, indem er der Arbeitnehmerin, die Kundin, die ihr zugeordnet war und damit eine konkrete Arbeitsaufgabe entzog
Das Gericht verwies darauf, dass der Arbeitgeber insbesondere Schutzpflichten gegenüber seiner Mitarbeiterin gemäß § 12 Abs. 4 AGG habe, die er bei der Frage, nach einer möglichen Reaktion auf die Benachteiligung der Arbeitnehmerin durch die Bauinteressentin mit einbeziehen hätte müssen. Nur wenn die „geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen“ nicht fruchteten, urteilte das Gericht, hätte eine eigene benachteiligende Handlung des Arbeitgebers ausgeschlossen werden können. Vorliegend habe der Arbeitgeber aber gar nicht erst versucht zum Schutz der Mitarbeiterin zu reagieren, sondern sie direkt ihrer Aufgabe entzogen.
Hinweis: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.11.2024, Az. 10 Sa 13/24
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