Rz. 12
Art. 25a § 99 in der vom Deutschen Bundestag beschlossenen Fassung, der am 1.1.2023 in Kraft treten soll, enthält gegenüber der Fassung des Gesetzentwurfs einige wesentliche Veränderungen.
In Abs. 1 Satz 1 ist nunmehr klargestellt, dass Menschen mit geistigen und seelischen Behinderungen ebenfalls unter den leistungsberechtigten Personenkreis fallen.
Eine quantitative Regelung ("5 aus 9" und "3 aus 9") der Lebensbereiche, in denen eine Teilhabeeinschränkung vorliegen soll, ist nicht mehr vorgesehen. Sie wird stattdessen durch eine Umschreibung "größere oder geringere Anzahl" ersetzt (Abs. 1 Satz 1 und 2). Die konkrete Bestimmung, was einer "größeren Anzahl" und was einer "geringeren Anzahl" entspricht, soll durch ein eigenes Bundesgesetz erfolgen, wenn die Ergebnisse der Untersuchung nach Art. 25 Abs. 5 vorliegen (Abs. 7 Nr. 1 und 2).
Ergänzend wird ein qualitatives Kriterium für die erhebliche Teilhabeeinschränkung beschrieben: Wenn Personen in mehreren Lebensbereichen die Ausführung von Aktivitäten nicht möglich ist, ist ein geringeres Ausmaß der jeweiligen Einschränkung für die Leistungsberechtigung ausreichend. Umgekehrt können Einschränkungen in nur wenigen Lebensbereichen für eine Leistungsberechtigung ausreichen, wenn die jeweilige Einschränkung ein hohes Ausmaß einnimmt (Abs. 1 Satz 3). Die für die Leistungsberechtigung konkrete Bestimmung des Verhältnisses von der Anzahl der Lebensbereiche zum Ausmaß der jeweiligen Einschränkung soll ebenfalls durch ein Bundesgesetz erfolgen (Abs. 7 Nr. 2).
Der neue Abs. 3 dient der Klarstellung, dass nicht entscheidend ist, ob die einzelne Person in den Lebensbereichen einen bestimmten Bedarf hat, sondern dass ausschließlich auf die für die Art der Behinderung typisierende Unterstützung in den einzelnen Lebensbereichen abzustellen ist. So wird beispielsweise ein blinder Mensch wie auch bisher regelhaft zum leistungsberechtigten Personenkreis gehören, da er den Alltag nicht ohne personelle oder technische Unterstützung bewältigen kann. Hierbei ist neben der personellen Unterstützung auch die technische Unterstützung zu berücksichtigen wie beispielsweise durch ein Bildschirmlesegerät, Blindenschriftübersetzer, sprechende Küchen- oder Personenwaage. Ob der Mensch mit Behinderungen einen konkreten Bedarf an Leistungen in diesen Lebensbereichen hat, ist für die Zuordnung zum leistungsberechtigten Personenkreis unerheblich. Dies ist eine Frage, die erst nach geklärter Zuständigkeit im Rahmen der Gesamtplanung zu ermitteln und festzustellen ist.
Die Lebensbereiche sind nun – inhaltlich unverändert gegenüber dem Gesetzentwurf – in Abs. 4 aufgezählt. Auch das Nähere über die Inhalte der Lebensbereiche soll durch ein Bundesgesetz bestimmt werden (Abs. 7 Nr. 3).
Rz. 13
Der Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist wie in dem ursprünglichen Gesetzentwurf auch in der neuen Fassung in einem eigenen Absatz geregelt, nun in Abs. 6 statt vorher Abs. 4. Der den Zugang zu Leistungen der Eingliederungshilfe regelnde Abs. 1 ist für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach Kapitel 4 (§ 111) nicht einschlägig. Leistungen der Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Arbeitsleben bleiben unverändert Menschen mit Behinderungen vorbehalten, die infolge der Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt teilhaben können (im rentenrechtlichen Sinne also voll erwerbsgemindert sind), jedoch in der Lage sind, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen. Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben umfassen Leistungen zur Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen (§ 58), zur Beschäftigung bei einem anderen Leistungsanbieter (§ 60) sowie Leistungen für ein Budget für Arbeit (§ 61). Im Einzelnen vgl. Kapitel 4 SGB IX, § 111.
Rz. 14
Art. 25a BTHG sieht ein bedingtes Inkrafttreten der darin geregelten Vorschrift des (neuen) § 99 zum 1.1.2023 vor. Dessen Inkrafttreten wird an den Eintritt der Bedingung geknüpft, dass das Bundesgesetz nach Art. 25a § 99 Abs. 7 bis zu diesem Zeitpunkt verkündet ist (Art. 26 Abs. 5 i. d. F. der Beschlussempfehlung des AuS-Ausschusses, BT-Drs. 18/10523 zu Nr. 14, Anfügung eines Abs. 5 in Art. 26).