2.2.1 Heranziehung des stellvertretenden Mitglieds
Rz. 13
Abs. 1 Satz 4 ermöglicht es der Schwerbehindertenvertretung, deren Amt ja nicht von einem mehrköpfigen Organ, sondern allein von einer Person wahrgenommen wird (§ 177 Abs. 1 Satz 1), das mit der höchsten Stimmenzahl gewählte stellvertretende Mitglied zu bestimmten Aufgaben heranzuziehen. Voraussetzung dafür ist, dass in dem Betrieb oder in der Dienststelle mehr als 100 schwerbehinderte Menschen beschäftigt sind. Mit dem Bundesteilhabegesetz v. 23.12.2016 ist an dieser Mindestzahl festgehalten worden. In dem zusätzlich eingefügten neuen Satz 5 ist gegenüber dem bisherigen 2. Halbsatz des Satzes 4 aber eine Änderung eingetreten. Bisher war im 2. Halbsatz bestimmt, dass in Betrieben und Dienststellen mit mehr als 200 beschäftigten schwerbehinderten Menschen lediglich noch das mit der nächsthöchsten Stimmenzahl gewählte weitere stellvertretende Mitglied herangezogen werden konnte. Mit dem neuen – zum 30.12.2016 in Kraft getretenen – Satz 5 wird die bisherige Regelung dahingehend fortgeschrieben, dass mit jeweils 100 weiteren beschäftigten schwerbehinderten Menschen jeweils eine weitere Stellvertretung herangezogen werden kann.
Satz 4 und 5 sehen keinen generellen Heranziehungsanspruch vor, sondern nur zu bestimmten Aufgaben. Diese Aufgaben sind gegenüber dem Arbeitgeber, der zu unterrichten ist, genau zu benennen. Die Unterrichtung ist bereits im Hinblick auf die erforderliche Befreiung von der beruflichen Tätigkeit für die Dauer der Heranziehung (§ 179 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4) erforderlich. Aus § 179 Abs. 3 Satz 2 ergibt sich auch, dass der Arbeitgeber seine Zustimmung zur Heranziehung des stellvertretenden Mitglieds nicht verweigern kann.
Rz. 14
(unbesetzt)
Rz. 15
Durch das Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen v. 23.4.2004 war Satz 5 angefügt worden, der infolge des neuen Satzes 5 durch das Bundesteilhabegesetz nunmehr Satz 6 ist. Darin wird bestimmt, dass die Heranziehung zu bestimmten Aufgaben die Abstimmung untereinander einschließt.
2.2.2 Recht auf Unterrichtung und Anhörung
Rz. 16
Abs. 2 Satz 1 gibt der Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die schwerbehinderte Menschen berühren, ein Recht auf unverzügliche und umfassende Unterrichtung und Anhörung. Was die Unterrichtung und Anhörung in Angelegenheiten der Besetzung freier Arbeitsplätze angeht, ist dies überdies in Satz 3 geregelt, der die Verpflichtung des Arbeitgebers auf § 164 Abs. 1 als Recht der Schwerbehindertenvertretung konkretisiert. Mit Satz 1 sind über die Beteiligung nach § 164 Abs. 1 hinausgehende Angelegenheiten gemeint. Erfasst sind auch Maßnahmen oder Anordnungen des Arbeitgebers, die zwar möglicherweise schwerbehinderte Menschen nicht unmittelbar und ausschließlich betreffen, es reicht aus, dass sie ihre Interessen berühren, sie also mitbetreffen können. Der Schwerbehindertenvertretung ist mit der Anhörung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
2.2.2.1 Folgen der Nichtbeteiligung
Rz. 17
Abs. 2 Satz 2 beschreibt die Folgen der Nichtbeteiligung der Schwerbehindertenvertretung. Die Vorschrift bestimmt, dass Maßnahmen des Arbeitgebers, die die Interessen schwerbehinderter Menschen berühren und bei denen die Schwerbehindertenvertretung entgegen der Verpflichtung in Satz 1 weder unterrichtet noch angehört wurde, nicht durchgeführt oder vollzogen werden darf. Die Entscheidung des Arbeitgebers ist jedoch nicht unwirksam, sondern lediglich auszusetzen. Der Gesetzgeber hat sich im Hinblick auf daraus entstehende Auswirkungen auf Rechte Dritter und daraus entstehende Rechtsunsicherheiten zu einer Regelung, dass solche Maßnahmen unwirksam sein sollten, in der Vergangenheit nicht entschließen können.
Rz. 18
Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung als Wirksamkeitsvoraussetzung für eine personelle Maßnahme ist bei den Beratungen des Bundesteilhabegesetzes erörtert und zur Stärkung der Rechte der Schwerbehindertenvertretungen gefordert worden. Von Interessenvertretungen wurde die Einführung einer Unwirksamkeit einer Kündigung, einer Abmahnung sowie eines Aufhebungsvertrages ohne eine vorherige Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gefordert.
Der Ausschuss für Arbeit und Soziales beschloss in seiner Sitzung am 30.11.2016, diese Rechtsfolge allein für eine Kündigung ohne vorherige Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung (BT-Drs. 18/10523). Dem stimmte der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung am 1.12.2016 und der Bundesrat in seiner Sitzung am 16.12.2016 zu.
Diese Regelung ist als Satz 3 in Abs. 2 aufgenommen worden und ist am 30.12.2016 in Kraft getreten. Die Regelung erhöht den Druck auf Arbeitgeber, die Schwerbehindertenvertretung in Kündigungsangelegenheiten zu beteiligen. Mit dieser Regelung ist aber kein Mitbestimmungsrecht der Schwerbehindertenvertretung eingetreten. Auch bei einer Beteiligung ist der Arbeitgeber künftig nicht an ein Votum gebunden.
Eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung als Wirksamkeitsvoraussetzung im Falle einer Abmahnung konnte auch im Hinblick auf Regelungen im Personalvertretungs- und im Betriebsverfassungsrecht nicht vo...