2.4.1 Befreiung
Rz. 7
Nach Abs. 4 Satz 1 sind Vertrauenspersonen von ihrer beruflichen Tätigkeit zu befreien, wenn und soweit es zur Durchführung ihrer Aufgaben erforderlich ist. Hierbei darf, auch in Entsprechung des Grundsatzes, dass die Vertrauenspersonen in der Ausübung ihres Amtes nicht benachteiligt werden dürfen, das Arbeitsentgelt nicht gemindert werden.
Satz 1 gibt den Vertrauenspersonen nicht einen völligen Freistellungsanspruch, sondern nur einen zeitweiligen Befreiungsanspruch, nämlich nur insoweit, als er zur Durchführung der Aufgaben erforderlich ist. Hierüber ist im Einzelfall mit dem Arbeitgeber Übereinstimmung herzustellen.
2.4.2 Freistellung
Rz. 8
Abweichend von Abs. 4 Satz 1 haben Vertrauenspersonen in Betrieben und Dienststellen, in denen wenigstens 200 schwerbehinderte Menschen beschäftigt und zu betreuen sind, nach Satz 2 einen völligen Freistellungsanspruch. Diesen wahrzunehmen sind die Vertrauenspersonen nicht verpflichtet, freigestellt werden sie nur auf eigenen Wunsch. Diese Regelung ist durch das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter v. 29.9.2000 (BGBl. I S. 1394) mit Wirkung zum 1.10.2000 in das Schwerbehindertengesetz eingefügt worden. Der Gesetzgeber hat sich von der in § 38 Abs. 1 des Entwurfs des Gesetzes zur Reform des Betriebsverfassungsgesetzes vorgesehenen Regelung leiten lassen, der ebenfalls ab 200 Arbeitnehmern einen Freistellungsanspruch eines Mitglieds des Betriebsrats vorsieht (§ 38 des BetrVG 1972 sieht einen Freistellungsanspruch erst ab 300 Beschäftigten vor).
Die Mindestzahl von 200 beschäftigten schwerbehinderten Menschen ist mit Art. 2 des Bundesteilhabegesetzes v. 23.12.2016 mit Wirkung zum 30.12.2016 auf 100 beschäftigte schwerbehinderte Menschen herabgesetzt worden. Der Gesetzgeber hat dabei zur Kenntnis genommen, dass die Belastung der Schwerbehindertenvertretungen stetig ansteige. So habe die Schwerbehindertenvertretung ausdrücklich die Aufgabe, den schwerbehinderten Menschen helfend und beratend zur Seite zu stehen (§ 95 Abs. 1 Satz 1, ab 1.1.2018 § 178 Abs. 1 Satz 1). Dies schließe z. B. Verhandlungen mit dem Integrationsamt oder Beratung in Widerspruchsverfahren ein, was im Einzelfall sehr aufwändig sein könne. Schließlich seien zunehmend neue Tätigkeiten zu verzeichnen, etwa die Beteiligung an der Erstellung betrieblicher Aktionspläne. In größeren Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten sei der Aufgabenzuwachs wegen der zurückzulegenden Entfernungen überdurchschnittlich spürbar. Dieser zunehmenden Belastung solle durch eine Absenkung des Schwellenwertes von 200 auf 100 schwerbehinderte Menschen Rechnung getragen werden.
In Betrieben und Dienststellen mit wenigstens 100 beschäftigten schwerbehinderten Menschen ist die Erforderlichkeit der Befreiung von der Arbeit nicht mehr zu prüfen.
Rz. 9
Abs. 4 Satz 2 HS 2 ermöglicht weitergehende Regelungen, also die vollständige Freistellung auch bei einer geringeren Zahl beschäftigter schwerbehinderter Menschen.
2.4.3 Befreiung zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen
Rz. 10
Nach Abs. 4 Satz 3 sind die Vertrauensleute nicht nur in dem für die Durchführung ihrer Aufgaben notwendigen Umfang von der Arbeit zu befreien, der gleiche Befreiungsanspruch gilt auch für die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen. Voraussetzung ist, dass diese Veranstaltungen für die Arbeit der Schwerbehindertenvertretung erforderliche Kenntnisse vermitteln.
Rz. 11
Solche Schulungs- und Bildungsveranstaltungen werden von den Integrationsämtern oder in deren Auftrag von externen Bildungsträgern angeboten. Aus Mitteln der Ausgleichsabgabe werden Schulungs- und Bildungsveranstaltungen gefördert, wenn es sich um Veranstaltungen der Integrationsämter handelt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Ausgleichsabgabeverordnung). Die Durchführung solcher Maßnahmen durch andere Träger kann gefördert werden, wenn die Maßnahmen erforderlich und die Integrationsämter an ihrer inhaltlichen Gestaltung maßgeblich beteiligt sind.
Rz. 12
Im Rahmen dieser Vorschrift werden von den Integrationsämtern die Kosten für die Anmietung von Schulungsstätten, Informationsmaterial, Kosten für Referenten übernommen. Soweit darüber hinaus den Vertrauenspersonen Kosten entstehen, besteht ein Kostenübernahmeanspruch gegenüber dem Arbeitgeber (Abs. 8).
Rz. 13
In der Praxis ist die Frage streitig, ob und in welchem Umfang die Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen erforderlich ist. Eine § 37 Abs. 7 BetrVG vergleichbare Regelung, nach der jedes Mitglied des Betriebsrats über die im Einzelfall zu entscheidende Notwendigkeit von Schulungs- und Bildungsveranstaltungen hinaus während seiner regelmäßigen Amtszeit Anspruch auf bezahlte Freistellung zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen für insgesamt drei Wochen, bei erstmaliger Übernahme des Amtes für 4 Wochen hat, ist im Bereich der Schwerbehindertenvertretungen nicht vorgesehen. Diese Regelungen sollten in der Praxis aber Anhaltspunkt sein. Im Übrigen können die Maßstäbe der Integrationsämter zur Schulung von Vertrauenspersonen herangezogen werden.
Rz. 14
Durch Art. 2 des Bundesteilh...