Rz. 12
Nach § 18 Abs. 5 besteht eine Kostenerstattungspflicht des leistenden Trägers nicht, wenn und soweit kein Anspruch auf Bewilligung der selbstbeschafften Leistungen bestanden hätte und der Antragsteller dies wusste oder infolge grober Außerachtlassung der allgemeinen Sorgfalt nicht wusste.
Im Endeffekt muss der Leistungsberechtigte zum Zeitpunkt der Beschaffung der Leistung – also z. B. Zeitpunkt des rechtsverbindlichen Eingehens von Rechtsgeschäften nach Eintritt der Genehmigungsfiktion (Fristablauf) – gutgläubig sein (vgl. BT-Drucks. 18/9522, S. 238). Die Gutgläubigkeit, die sich auch mit "nach Treu und Glauben" oder "fehlendem subjektiven Unrechtsbewusstsein trotz objektiver Unberechtigtheit" beschreiben lässt, ist jedoch ein tatsächlicher Umstand, der sich jederzeit hin zur Bösgläubigkeit verändern kann.
Das gilt insbesondere, wenn die Leistung nicht geeignet ist, das Teilhabeziel zu erreichen oder zu fördern; es gibt nämlich keinen sachlichen Grund, einem Rehabilitanden Vertrauensschutz zu gewähren, wenn er in Kenntnis des fehlenden materiellen Anspruchs eine Leistung beantragt hat und diese nach Versäumung der Entscheidungsfrist selbst beschafft. Im Ergebnis wird hierdurch eine Erstattung offensichtlich rechtswidriger Leistungen, die rechtsmissbräuchlich oder treuwidrig beschafft wurden, ausgeschlossen (z. B. Urlaub auf Mallorca). Ein fehlender Vertrauensschutz ist auch gegeben, wenn das Gesetz formale oder jedem deutliche Anspruchsvoraussetzungen wie etwa Altersgrenzen regelt, die bei Antragstellung nicht erfüllt sind oder später entfallen, oder Anspruchsgrenzen betroffen sind, die jedem klar sein müssen (vgl. auch BSG, Urteil v. 27.8.2019, B 1 KR 8/19 R). Im Übrigen wird zum Begriff des Vertrauensschutzes auf die Kommentierung zu § 45 Abs. 2 SGB X verwiesen.
Rz. 13
Ein Kostenerstattungsanspruch kommt auch dann noch in Betracht, wenn sich der Rehabilitand die Leistung erst während eines anhängigen Rechtsstreits beschafft und die beschaffungsbezogene Unkenntnis, dass materiell-rechtlich kein Anspruch auf die Leistung besteht, nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht. Unabhängig von dem Grad der Unkenntnis vermag eine Selbstbeschaffung jedenfalls dann keinen Kostenerstattungsanspruch mehr auszulösen, wenn sie erst erfolgt, nachdem der Rehabilitationsträger die beantragte Leistung bestandskräftig abgelehnt oder im Streitfall das Gericht die Anfechtungs- und Leistungsklage rechtskräftig abgewiesen hat. Ist über den materiell-rechtlichen Leistungsanspruch bindend entschieden oder hat sich der Antrag anderweitig erledigt, endet das durch die Genehmigungsfiktion begründete Recht auf Selbstbeschaffung der beantragten Leistung auf Kosten des Rehabilitationsträgers (vgl. u. a. BSG, Urteil v. 26.5.2020, B 1 KR 9/18 R). Eine nach Eintritt der Rechtskraft des Verwaltungsaktes erfolgte Selbstbeschaffung kann somit nicht mehr gutgläubig i. S. d. § 18 Abs. 5 sein.
Gerade bei beantragten Dauerleistungen (= Serie von hintereinander folgenden Einzelleistungen) kann die Unkenntnis der Leistungsberechtigten, keinen Anspruch auf die beantragte Leistung zu haben, im weiteren Verlauf auch grob fahrlässig werden. In diesem Fall gilt die Serie im Sinne der Selbstbeschaffung als eine einheitliche Verwaltungseinheit. Entscheidend für die Beurteilung der Gutgläubigkeit ist der "Kaufzeitpunkt" dieser Serie durch den Leistungsberechtigten.