Rz. 2
Das Recht auf Mitwirkung gehört zu den Rechten, die mit dem Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts v. 23.7.1996 (BGBl. I S. 1088) gesetzlich geregelt worden sind. Seit 1980 ist es Pflicht der Werkstätten für behinderte Menschen und ihrer Träger, den behinderten Menschen eine angemessene Mitwirkung in den ihre Interessen berührenden Angelegenheiten zu ermöglichen (§ 14 der Werkstättenverordnung). Nähere Regelungen der Mitwirkung im Einzelnen wurden zunächst nicht getroffen. Vielmehr war der Verordnungsgeber der Auffassung, der seinerzeitige Erkenntnisstand erlaube nicht, schon nähere Regelungen zu treffen. Der 1996 in das Schwerbehindertengesetz eingefügte § 54 c bestimmte seitdem verbindlich, dass die im Arbeitsbereich der Werkstätten beschäftigten behinderten Menschen, soweit sie nicht Arbeitnehmer sind (in diesem Fall gelten abhängig von der Trägerschaft der Werkstatt die Vorschriften des Betriebsverfassungs- und des Personalvertretungsrechts oder entsprechender Vorschriften), in den ihre Interessen berührenden Angelegenheiten der Werkstatt mitzuwirken haben und dazu Werkstatträte zu wählen sind.
Rz. 3
§ 54 c SchwbG ist im Wesentlichen inhaltsgleich (zur Ausnahme vgl. Abs. 2) in das SGB IX übernommen worden. Zusätzlich ist in Abs. 1 Satz 2 geregelt, dass die Werkstatträte auch die Interessen der im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich tätigen behinderten Menschen, die zum Werkstattrat weder wahlberechtigt noch wählbar sind (s. Abs. 3), in angemessener und geeigneter Weise berücksichtigen sollen, solange für diese keine eigene Vertretung besteht.
Rz. 4
Mit dem Bundesteilhabegesetz ist mit Wirkung zum 30.12.2016 die am 1.7.2001 auf der Ermächtigungsgrundlage des § 144 Abs. 2 erlassene Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (Art. 22 des Bundesteilhabegesetzes) weiterentwickelt worden. Die Rechte der Werkstatträte wurden dadurch gestärkt, dass sie in besonders wichtigen Angelegenheiten nicht mehr wie in der Vergangenheit lediglich Mitwirkungsrechte, sondern nunmehr Mitbestimmungsrechte haben. Dies sind
- Ordnung und Verhalten der Werkstattbeschäftigten im Arbeitsbereich einschließlich Aufstellung und Änderung einer Werkstattordnung,
- Beginn und Ende der Arbeitszeit, Pausen, Zeiten für die Erhaltung und Erhöhung der Leistungsfähigkeit und zur Weiterentwicklung der Persönlichkeit, Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage und die damit zusammenhängende Regelung des Fahrdienstes, vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der üblichen Arbeitszeit,
- Arbeitsentgelte, insbesondere Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen, Festsetzung der Steigerungsbeträge und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, Zeit, Ort und Art der Auszahlung sowie Gestaltung der Arbeitsentgeltbescheinigungen,
- Grundsätze für den Urlaubsplan,
- Verpflegung,
- Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestrimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Werkstattbeschäftigten zu überwachen,
- Grundsätze für die Fort- und Weiterbildung,
- Gestaltung von Sanitär- und Aufenthaltsräumen und
- soziale Aktivitäten der Werkstattbeschäftigten.
In den Angelegenheiten der Mitbestimmung entscheidet die aufgrund des § 6 der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung (WMVO) eingerichtete Vermittlungsstelle – bestehend aus einem Vertreter der Werkstatt, einem Vertreter des Werkstattrates sowie aus einem unparteiischen Vorsitzenden, auf den sich die Werkstatt und der Werkstattrat verständigen müssen, andernfalls ein Losentscheid erfolgt – endgültig, wenn sich Werkstattrat und Werkstatt nicht einigen können. Lediglich in Angelegenheiten, die nur einheitlich für Werkstattbeschäftigte und das Fach- und Betreuungspersonal geregelt werden können und die Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sind oder sein sollen haben die Beteiligten, also der Werkstattrat und die betriebliche Interessenvertretung des Fachpersonals auf eine einvernehmliche Regelung hinzuwirken. In diesen Fällen ersetzt der Einigungsvorschlag der Vermittlungsstelle nicht die Entscheidung der Werkstatt. Hier bleibt es also wie im Übrigen auch in den noch verbleibenden Angelegenheiten, in denen auch weiterhin nur ein Mitwirkungsrecht des Werkstattrates besteht, beim Letztentscheidungsrecht der Werkstatt (vgl. im Einzelnen §§ 5 und 6 Abs. 3 WMVO in der durch Art. 22 des Bundesteilhabegesetzes geänderten Fassung).
Rz. 5
Abs. 1 Satz 2 legt den Werkstatträten ausdrücklich die Verpflichtung auf, auch die Interessen derjenigen behinderten Menschen, die an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich teilnehmen, nach Abs. 3 aber nicht wahlberechtigt und nicht wählbar zum Werkstattrat sind, in einer den jeweiligen Verhältnissen der einzelnen Werkstatt angepassten Weise zu berücksichtigen, solange diese behinderten Menschen nicht die in § 36 vorgesehene eigene Vertretung zur Wahrnehmung ihrer Interessen gewählt haben (s. dort und Anm. 9 und 10 zu § 221).