1.3.1.1 Überblick
Rz. 10
§ 42 befasst sich mit den Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§ 5 Nr. 1). Die soziale Teilhabe (§ 5 Nr. 5) zielt dagegen auf die Bewältigung der alltäglichen Anforderungen und der Wiedereingliederung in das soziale Umfeld der Patientinnen und Patienten. Gemäß Art. 12 BTHG i.V. mit dem bis 31.12.2019 geltenden § 54 SGB XII gehört z. B. zu den Leistungen zur sozialen Teilhabe die Versorgung mit anderen als den in § 47 genannten Hilfsmitteln, wenn diese erforderlich sind. Zu solchen Hilfsmitteln der sozialen Teilhabe zählen Hilfsmittel, die über eine medizinische Zweckbestimmung hinausgehen und zum Ausgleich der durch die Behinderung bedingten Mängel und Einschränkungen zur gesamten Alltagsbewältigung beitragen. Sie haben die Funktion, dem behinderten Menschen den Kontakt mit seiner Umwelt, nicht nur der Familie und Nachbarschaft, sowie die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen und hierdurch insgesamt die Begegnung und den Umgang mit nichtbehinderten Menschen zu fördern (BSG, Urteil v. 19.5.2009, B 8 SO 32/07 R, SozR 4-3500 § 54 Nr. 5, m. w. N.).
Rz. 10a
Die Abgrenzung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation von Leistungen zur "sozialen" Teilhabe erfolgt nicht nach den in Betracht kommenden Leistungsgegenständen; entscheidend ist vielmehr der Leistungszweck (so BSG, Urteil v. 3.9.2003, B 1 KR 34/01 R; Urteil v. 29.9.2009, B 8 SO 19/08 R). Allerdings können sich die Leistungszwecke der medizinischen Rehabilitation und der sozialen Teilhabe überschneiden (vgl. BSG, Urteil v. 19.5.2009, B 8 SO 32/07 R, und v. 29.9.2009, a. a. O.; vgl. auch OVG Koblenz, Urteil v. 4.11.2010, 7 A 10796/10.OVG). Die Leistungen zur sozialen Teilhabe (Eingliederungshilfe) sind jedoch gegenüber den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nachrangig. Sie kommen deshalb grundsätzlich nur in Betracht, wenn sie nicht als Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu gewähren sind (BSG, Urteil v. 19.5.2009, a. a. O.).
1.3.1.2 Hilfsmittel
Rz. 10b
Die Abgrenzung zwischen Hilfsmitteln i. S. der medizinischen Rehabilitation (§ 47) und der sozialen Teilhabe (Eingliederungshilfe) ist nicht am Begriff des Hilfsmittels selbst vorzunehmen; maßgebend ist vielmehr, welche Bedürfnisse mit dem Hilfsmittel befriedigt werden sollen, also welchen Zwecken und Zielen das Hilfsmittel dienen soll. Während Hilfsmittel i. S. v. § 47 die Aufgabe haben,
- einer drohenden Behinderung vorzubeugen,
- den Erfolg einer Heilbehandlung zu sichern oder
- eine Behinderung nur bei den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auszugleichen soweit sie nicht allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind,
dienen die Hilfsmittel im Rahmen der Eingliederungshilfe über die Aufgabenbestimmung nach § 47 hinaus der gesamten Alltagsbewältigung; sie haben die Aufgabe, dem Behinderten den Kontakt mit seiner Umwelt, nicht nur mit Familie und Nachbarschaft, sowie die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben zu ermöglichen und hierdurch insgesamt die Begegnung und den Umgang mit nichtbehinderten Menschen zu fördern. Nach der nicht abschließenden Aufzählung in der – bis zum 31.12.2019 auf § 60 SGB XII (vgl. Art. 12 BTHG i. V. m. § 54 SGB XII) gestützten – Eingliederungshilfe-Verordnung kann insoweit sogar ein Anspruch auf Versorgung mit Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens bestehen, wenn der behinderte Mensch hierauf wegen der Art und Schwere seiner Behinderung angewiesen ist.
Sind Hilfsmittel nicht nach § 47 zu gewähren, kommt eine Versorgung im Rahmen der Leistungen zur sozialen Teilhabe in Betracht (BSG, Urteil v. 19.5.2009, B 8 SO 32/07 R).
Eine Studentin benötigt wegen einer Innenohrschwerhörigkeit ein Hörgerät; die Kosten für die Hörgerätebatterien können allerdings von der Krankenkasse sowohl nach § 33 SGB V als auch im Rahmen der medizinischen Rehabilitation nicht übernommen werden (vgl. § 2 Nr. 11 der Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen; vgl. auch BSG, Urteil v. 19.5.2009, B 8 SO 32/07 R). Die Studentin wird jedoch bei fehlender Hörversorgung nicht wie ein Gesunder am Leben in der Gemeinschaft teilnehmen können. Aus diesem Grund besteht ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Hörgerätebatterien im Rahmen der Leistungen zur sozialen Teilhabe (Art. 12 BTHG i.V. mit dem bis 31.12.2019 geltenden § 54 SGB XII und der Eingliederungshilfe-Verordnung). Allerdings mindert sich die Leistung, sofern das Einkommen und das Vermögen der Studentin bestimmte Freibeträge überschreiten.
1.3.1.3 Adaption bei Abhängigkeitserkrankungen
Rz. 10c
Bei Abhängigkeitskranken dient die Adaption im Anschluss an eine Entwöhnung dem Zweck, den Betreffenden auf Dauer in Beruf und Gesellschaft zu integrieren (z. B. Aufbauen einer festen Tagesstruktur) und ihn dadurch vor Rückfällen zu schützen. Vom Inhalt her beinhalten Adaptionsmaßnahmen überwiegend Hilfen arbeits- und sozialtherapeutischer Art wie Arbeits- und Haushaltstraining, Sozialberatung in Ausbildungs-, Wohnungs- und sonstigen Fragen, zudem Psychotherapie. Ärztliche Interventionen und Pharmakotherapie treten ...