Rz. 8
Ist ein Arbeitnehmer im Laufe der letzten 12 Monate länger als 6 Wochen arbeitsunfähig, muss ihm der Arbeitgeber die Möglichkeit eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) anbieten (§ 167 Abs. 2). Ziel des vertrauensbildenden Gesprächs ist die Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeitszeiten. Am Ende des BEM kann bei arbeitsunfähigen Arbeitnehmern auch die stufenweise Wiedereingliederung nach einem ärztlichen Stufenplan stehen. Unabhängig davon kann auch von dem behandelnden Arzt, einer Krankenkasse, einem anderen Rehabilitationsträger oder von weiteren Dritten eine stufenweise Wiedereingliederung angestoßen werden, damit der Arbeitsunfähige möglichst bald in einem geschützten Rahmen seine betriebliche Arbeit am bisherigen Arbeitsplatz wieder aufnehmen kann. Dabei muss sich die Prognose nicht zwingend auf das Ziel der Wiederherstellung der vollen Arbeitstätigkeit richten, auch wenn dies regelmäßig verfolgt wird (vgl. dazu BAG, Urteil v. 28.7.1999, 4 AZR 192/98). Auch die Befähigung zu einer nach Art, Dauer, zeitlicher und räumlicher Lage veränderten Arbeitstätigkeit kann Eingliederung in das Erwerbsleben sein (BAG, Urteil v. 13.6.2006, 9 AZR 229/05).
Im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung wird der Erwerbstätige bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit individuell (je nach den Auswirkungen der Krankheit und der bisherigen Dauer der Arbeitsunfähigkeit und dem Gesundheits- bzw. Krankheitsgrad) schonend, aber kontinuierlich an die Belastungen seines Arbeitsplatzes herangeführt. Unter dem bisherigen Arbeitsplatz versteht man im Idealfall das bisherige Arbeitsumfeld mit zumindest vergleichbaren Tätigkeiten im selben Betrieb (Unternehmensbereich). Während der Eingliederungsphase kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer allerdings auch einen anderen Arbeitsplatz (Ersatzarbeitsplatz) zuweisen. Einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf die gleiche Position wie vor der Erkrankung hat der Arbeitsunfähige während der stufenweisen Wiedereingliederung nicht, lediglich einen Anspruch auf eine arbeitsvertragsgemäße Beschäftigung.
Wird ein Arbeitnehmer auf einem Arbeitsplatz einer rechtlich selbstständigen Schwesterfirma an einem anderen Ort eingegliedert und soll er dann diesen neuen Arbeitsplatz behalten, kann man – sofern die Umorganisation aus medizinischen Gründen notwendig ist – nicht mehr von stufenweiser Wiedereingliederung i. S. d. § 44 sprechen. Zur Unterstützung dienen hier nicht mehr medizinische Rehabilitationsleistungen, sondern Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben i. S. d. §§ 49 ff.
Während des Wiedereingliederungsprozesses besteht die Arbeitsunfähigkeit und damit auch ein Anspruch auf Krankengeld oder vergleichbare Leistung fort (§ 2 Abs. 2 Satz 1 der AU-Richtlinien; Rz. 56 ff.).
Die stufenweise Wiedereingliederung erfolgt aus therapeutischen Gründen. Sie dient der Erprobung und dem Training der Leistungsfähigkeit des arbeitsunfähigen Versicherten an seinem bisherigen Arbeitsplatz; deshalb wird sie auch kontinuierlich ärztlich überwacht. Ergeben die regelmäßigen Untersuchungen eine Steigerung der Belastbarkeit, ist eine Anpassung der stufenweisen Wiedereingliederung vorzunehmen. Der Wiedereingliederungsplan kann im Bedarfsfall auch jederzeit verkürzt oder verlängert werden. Stellt sich während der Phase der Wiedereingliederung heraus, dass für die Versicherten nachteilige gesundheitliche Folgen erwachsen können, ist eine Anpassung an die Belastungseinschränkungen vorzunehmen oder die Wiedereingliederung abzubrechen. Ergibt sich während der stufenweisen Wiedereingliederung, dass die bisherige Tätigkeit auf Dauer krankheitsbedingt nicht mehr in dem Umfang wie vor der Arbeitsunfähigkeit aufgenommen werden kann, so ist die Krankenkasse hierüber unverzüglich schriftlich zu informieren (vgl. Ziff. 5 der Anlage zu der AU-Richtlinie; Rz. 56 ff.).
Eine stufenweise Wiedereingliederung ist i. d. R. erst dann sinnvoll, wenn der arbeitsunfähige Wiedereinzugliedernde eine Arbeitsbelastung von 2 Stunden je Arbeitstag erreicht hat.
Der Wiedereingliederungsprozess und damit die Arbeitsunfähigkeit enden, wenn der Erwerbstätige seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitskraft wieder erlangt hat. Das kann nach ein oder 2 Wochen, teilweise aber auch erst nach mehreren Monaten der Fall sein. Bei Teilzeitbeschäftigten ist das Ziel erreicht, wenn die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit erreicht wird.
Rz. 9
Wenn der arbeitsunfähige Erwerbstätige wegen der Arbeitsunfähigkeit Krankengeld oder Übergangsgeld etc. bezieht und eine Wiedereingliederung i. S. d. § 44 geplant wird, ist an dem Durchführungsprozess regelmäßig der die Entgeltersatzleistung zahlende Rehabilitationsträger beteiligt. Er übernimmt meist federführend die Koordination zwischen allen Beteiligten (Rz. 21 f.).
Rz. 10
Die folgende Übersicht verdeutlicht die einzelnen Handlungsschritte bzw. das Verfahren bei der stufenweisen Wiedereingliederung:
Anregung |
Der behandelnde Arzt, der Betriebsarzt, der Versicherte, der Arbeitgeber (betriebliches Eingliederungsmanagemen... |