Rz. 43
Während einer stufenweisen Wiedereingliederung ist der Versicherte grundsätzlich weiterhin arbeitsunfähig mit der Folge, dass er von seiner Krankenkasse Krankengeld erhält (§ 2 AU-Richtlinien, Rz. 56 ff.). Wird die stufenweise Wiedereingliederung nicht von der Krankenkasse, sondern vom Rentenversicherungsträger begleitet, tritt wegen der Vorrangigkeit von Übergangsgeld anstelle des Krankengeldes das Übergangsgeld (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V). Entscheidend ist die Frage, in welchen Fällen der Rentenversicherungsträger nach Beendigung einer Rehabilitationsleistung i. S. d. §§ 15, 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI noch Übergangsgeld zu zahlen hat, wenn eine stufenweise Wiedereingliederung geplant bzw. durchgeführt wird.
Rz. 44
Hat der Rentenversicherungsträger eine ambulante oder stationäre Rehabilitationsleistung (z. B. § 15, 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI) gewährt und ist im Zusammenhang mit dieser Rehabilitationsleistung eine stufenweise Wiedereingliederung angezeigt, ist grundsätzlich der Rentenversicherungsträger für die Einleitung und Koordination der stufenweisen Wiedereingliederung zuständig. Eine vorrangige Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers gegenüber der Krankenkasse begründet nicht § 40 Abs. 4 SGB V, sondern § 4 Abs. 2 Satz 2 SGB IX. Nach dieser Vorschrift erbringen die Leistungsträger die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalls so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden. Das BSG hat in seinen Urteilen (vgl. Urteile v. 29.1.2008, B 5a/5 R 26/07 R; v. 5.2.2009, B 13 R 27/08 R; v. 20.10.2009, B 5 R 44/08 R und B 5 R 22/08 R) entschieden, dass nach einer vom Rentenversicherungsträger gewährten (ambulanten oder) stationären Leistung zur medizinischen Rehabilitation die Zuständigkeit für die stufenweise Wiedereingliederung gemäß § 15 Abs. 1 SGB VI i. V. m. § 44 SGB IX (bis 31.12.2017: § 28 SGB IX) und damit für die Zahlung von Übergangsgeld gemäß § 20 Abs. 1 SGB VI i. V. m. § 71 Abs. 5 SGB IX beim Rentenversicherungsträger liegt, solange sich die stufenweise Wiedereingliederung als Bestandteil einer in der Zusammenschau einheitlichen (Gesamt-)Maßnahme darstellt. Aufgrund der Zahlung von Übergangsgeld ruht bei arbeitsunfähigen Versicherten der Anspruch auf Krankengeld (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V).
Nach den Urteilsbegründungen des BSG scheitert eine einheitliche Rehabilitationsleistung durch einen Leistungsträger nicht schon daran, dass sich die stufenweise Wiedereingliederung im Regelfall nicht nahtlos an die medizinische Rehabilitation anschließt und damit in der Zwischenzeit ohnehin ein anderer Träger für die wirtschaftliche Versorgung des Versicherten zuständig ist. Ein längerer Zeitraum zwischen der medizinischen Rehabilitationsleistung und der stufenweisen Wiedereingliederung löst indes nicht notwendig einen Wechsel der Leistungsträger aus. Vielmehr ist für diesen Zeitraum die Leistung eines Zwischenübergangsgeldes durch die Träger der Rentenversicherung zu erwägen (vgl. § 71 Abs. 5). In Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 2 ist von dem Grundsatz der umfassenden und vollständigen Leistungserbringung auszugehen. Zur Klarstellung weist § 71 Abs. 5 auch darauf hin, dass das Übergangsgeld in diesen Fällen nicht nur für die Zeit der eigentlichen Rehabilitationsleistung und der stufenweisen Wiedereingliederung, sondern auch für die Zwischenzeit zu zahlen ist.
Im Übrigen hat das LSG Baden-Württemberg mit Urteil v. 11.12.2013 (L 2 R 1706/11) entschieden, dass bei einem mehrmonatigen Zeitraum zwischen dem Ende der medizinischen Rehabilitation und dem Beginn der stufenweisen Wiedereingliederung im Einzelfall noch ein unmittelbarer Anschluss der stufenweisen Wiedereingliederung an die vorangegangenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation i. S. d. § 71 Abs. 5 gegeben sein kann. Die Notwendigkeit einer stufenweisen Wiedereingliederung wurde in dem zu entscheidenden Fall noch während der stationären Rehabilitationsleistung festgestellt. Der Grund für den späten Beginn der Wiedereingliederung lag sowohl in dem zeitaufwendigen Gesundungsprozess (Rückbildung der Lähmung) als auch in der Tatsache, dass erst der Pkw, der zur Erreichung der Arbeitsstelle benötigt wurde, behindertengerecht umgebaut werden musste. Das LSG sah in dem Fall bei einem 110 Tage umfassenden Zwischenzeitraum den inneren Zusammenhang zwischen Rehabilitationsleistung und der stufenweisen Wiedereingliederung noch als gegeben.
Ein unmittelbarer Anschluss i. S. v. § 71 Abs. 5 SGB IX liegt nach dem Urteil des SG Halle v. 20.12.2022 (S 11 R 426/20) auch dann vor, wenn sich der Beginn einer stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben für den Zeitraum einer pandemiebedingten vollständigen Schließung der Arbeitsstätte (hier: Schulhort) verschoben hat und die stufenweise Wiedereingliederung unverzüglich nach dem Ende der coronabedingten Schließung beginnt (hier: Verschiebung des Beginns der stufenweisen Wiedereingliederung um 36 Ta...