0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 46 trat aufgrund des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) zum 1.1.2018 in Kraft. Als Vorgängervorschrift diente in der Zeit vom 1.7.2001 bis zum 31.12.2017 § 30. Diese Vorschrift verschmolz für noch nicht eingeschulte Kinder erstmals die heilpädagogischen Maßnahmen der heutigen Eingliederungshilfe mit der zulasten der Krankenkassen zu erbringenden medizinisch-therapeutischen Früherkennung und Behandlung. Diese sog. interdisziplinäre Früherkennung und Frühförderung wurde jedoch in den einzelnen Bundesländern aufgrund bereits bestehender (Vor-)Strukturen unterschiedlich gelebt. Deshalb versuchte der Gesetzgeber, mit Inkrafttreten des heutigen § 46 die bisherige Heterogenität des Leistungsgeschehens zu minimieren und in allen Bundesländern vergleichbare Voraussetzungen für eine interdisziplinäre Leistungserbringung zu schaffen. Der Gesetzgeber begründete die Einführung des heutigen § 46 in der BT-Drs. 18/9522 S. 251 f. wie folgt:
Leistungen der Eingliederungshilfe zur Frühförderung noch nicht schulpflichtiger behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder wurden regelmäßig als heilpädagogische Maßnahmen von Sozialhilfeträgern auf der Grundlage des früheren § 40 Absatz 1 Nummer 2a BSHG oder (zu einem geringeren Teil) von Kinder- und Jugendhilfeträgern nach § 35a SGB VIII erbracht. Außerdem waren auch einige Länder freiwillig an der Finanzierung der Frühförderung beteiligt.
Um die Leistungserbringung in der Frühförderung zu verbessern, wurde mit dem Inkrafttreten des SGB IX die "Komplexleistung Frühförderung" in den bisherigen §§ 26, 30 SGB IX (Leistungen zur medizinischen Rehabilitation) und § 54 SGB XII (vor dem 1.1.2005 § 40 BSHG, Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen) festgeschrieben.
Damit sollten aufeinander abgestimmte Leistungen, ggf. mehrerer Leistungsträger und Fachdisziplinen, aus einer Hand unbürokratisch und schnell zur Verfügung gestellt werden und so eine bessere Förderung von Kindern mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Kinder ermöglichen. Ein bedeutendes Ziel des Gesetzgebers war es, die Heterogenität des Leistungsgeschehens zu minimieren und in allen Bundesländern die Voraussetzungen für eine interdisziplinäre Leistungserbringung zu schaffen. Es entsprach dem allgemeinen Verständnis aller Beteiligten, dass eine dem fachlichen Standard angepasste Förderung die Entwicklung im frühen Kindesalter verbessert und damit langfristig Kosten im Sozialleistungsgeschehen reduziert. Die pädagogische und medizinisch-therapeutische Fachwelt begrüßte die damalige neue Regelung im SGB IX.
Die aktuellen Änderungen schließen an die Zielsetzungen des Gesetzgebers aus 2001 unmittelbar an. Teilweise seit Jahrzehnten gewachsene und bewährte Strukturen der Frühförderung sollen aber nicht gefährdet werden. Die Änderungen im Gesetzestext beschreiben die Inhalte der Komplexleistung und ermöglichen den Ländern spezifische Regelungen vorzunehmen. Für konkretisierende Regelungen sollen verbindliche Landesrahmenvereinbarungen sorgen, bei deren Erstellung die bisherigen Qualitätsanforderungen berücksichtigt werden.
Weitere Impulse ergeben sich aus der UN-Behindertenrechtskonvention; so weist diese insbesondere in Artikel 26 Absatz 1 darauf hin, dass Leistungen und Programme zur (Re)Habilitation "a) im frühestmöglichen Stadium einsetzen und auf einer multidisziplinären Bewertung der individuellen Bedürfnisse und Stärken beruhen; b) die Einbeziehung in die Gemeinschaft und die Gesellschaft in allen ihren Aspekten sowie die Teilhabe daran unterstützen, freiwillig sind und Menschen mit Behinderungen so gemeindenah wie möglich zur Verfügung stehen, auch in ländlichen Gebieten …"
Zu Absatz 1: Im Sinne einer klaren Definition der Komplexleistung wird der bisherige § 30 Absatz 1 Satz 2 SGB IX in den neuen Absatz 3 verschoben.
Die Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 müssen bei Familien mit Migrationshintergrund kultursensibel und, falls erforderlich, unter Zuhilfenahme mehrsprachiger Behandler und/oder Sprachermittler durchgeführt werden.
Zu Absatz 2: Neben den interdisziplinären Frühförderstellen haben sich in den Bundesländern weitere Einrichtungen etabliert, die eine Komplexleistung Frühförderung anbieten und durch Landesrahmenvereinbarungen oder Landesrecht zur Leistungserbringung zugelassen wurden. Die Änderung greift die bestehende Praxis auf. Sie weist ein vergleichbares interdisziplinäres Förder-, Behandlungs- und Beratungsspektrum für die Erbringung der Komplexleistung Früherkennung und Frühförderung als unverzichtbares Qualitätssicherungsmerkmal aus. Die Merkmale der Interdisziplinarität werden in der Frühförderungsverordnung (FrühV) aufgegriffen.
Zu Absatz 3: Bisher wird die Komplexleistung im Gesetz und auch in der Gesetzesbegründung nicht ausreichend definiert. Durch die Verschiebung von Absatz 1 Satz 2 erfolgt an dieser Stelle die Definition der Voraussetzungen einer Kompl...