Rz. 40
Die Ermittlung und Konkretisierung des Begehrens des Antragstellers muss sich an dem Ziel der umfassenden Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 1) i. S. d. Herbeiführung des Gesamterfolges orientieren. Für den Gesamterfolg kann oft ein Bündel von einzelnen Leistungen zur Teilhabe erforderlich sein. Bei der Beantragung einer Teilhabeleistung müssen die Rehabilitationsträger deshalb berücksichtigen, dass noch weitere Teilhabeleistungen erforderlich sein können. Die Ermittlung und Konkretisierung des mit dem Antrag verfolgten Leistungsbegehrens hat zur Erreichung des Gesamterfolgs nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung zu erfolgen. Danach ist, sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, davon auszugehen, dass der Antragsteller die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen begehrt. Sollten verschiedene Teilhabeleistungen in Betracht kommen, sind diese grundsätzlich in ihrer Gesamtheit als Gegenstand des Antrags aufzufassen (§ 5 Abs. 2 und 3 der "Gemeinsamen Empfehlung Reha-Prozess").
Der Rehabilitationsträger hat also bei allen Anträgen auf Teilhabeleistungen, die wegen einer erkennbar drohenden oder bestehenden Behinderung gestellt werden, von Amts wegen zu prüfen, ob ein rehabilitationsträgerübergreifender Teilhabebedarf und damit ein erweiterter Leistungsanspruch bzw. -umfang und/oder die Leistungszuständigkeit von anderen Rehabilitationsträgern gegeben ist (§ 9 Abs. 1). Der leistende Rehabilitationsträger i. S. d. § 14 ist dafür verantwortlich, dass die beteiligten Rehabilitationsträger im Benehmen miteinander und in Abstimmung mit dem Leistungsberechtigten die nach dem individuellen Bedarf voraussichtlich erforderlichen Leistungen funktionsbezogen feststellen und schriftlich so zusammenstellen, dass sie nahtlos ineinandergreifen (§ 19).
Die Zuständigkeit zwischen den Rehabilitationsträgern, die durch den Antrag auf Teilhabeleistungen ausgelöst werden, richtet sich nach der Reihenfolge der in § 5 aufgeführten Leistungsgruppen. Somit ist zuerst zu prüfen, ob aufgrund des vorliegenden Antrags Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 5 Nr. 1) in Betracht kommen. Falls dieses nicht der Fall ist oder falls durch die Leistungen der medizinischen Rehabilitation der Teilhabebedarf nicht gedeckt wird, ist zu prüfen, ob der Teilhabebedarf durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Nr. 2) sichergestellt werden kann (BSG, Urteil v. 30.10.2015, B 5 R 8/14 R). Falls das auch nicht der Fall ist, kommen Leistungen zur Teilhabe an Bildung (§ 5 Nr. 4) und – wenn diese auch nicht greifen – Leistungen zur Sozialen Teilhabe (§ 5 Nr. 5) in Betracht.
Rz. 41
In der Vergangenheit war lange Zeit strittig, ob z. B. die Krankenkassen, die lediglich für Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§ 5 Nr. 1) zuständig sind, im Rahmen ihrer Zuständigkeit auch Teilleistungen der Leistungen zur Sozialen Teilhabe zu erbringen haben. Ist nämlich ein Rehabilitationsträger zuständig, hat er gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 "die Leistungen im Rahmen der für ihn geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalles so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität zu erbringen, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden".
Zur Lösung dieser Problematik war in erster Linie die Frage entscheidend, welcher Rehabilitationsträger die Hauptleistung (§ 5 Nr. 1, 2, 4 und 5) zu erbringen hat. Liegt der Schwerpunkt des zu erreichenden Ziels in den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (z. B. Rollstuhl für einen halbseitengelähmten Menschen), ist der zuständige Träger (meist: Krankenkasse) im Rahmen seines Leistungsspektrums (z. B. SGB V) leistungspflichtig und hat in diesem Rahmen alle Leistungen zu erbringen, um das Teilhabeziel zu erreichen. Zu beachten ist aber, dass jeder Träger nur insoweit leistungspflichtig ist, als er aufgrund seines rehabilitationsträgerspezifischen Leistungsgesetzes (z. B. SGB V) leistungspflichtig ist. Die Vorschriften des SGB IX sind somit hinsichtlich des Leistungsanspruchs bzw. -umfangs nur maßgebend, soweit etwa z. B. im SGB V nichts Abweichendes vorgesehen ist (BSG, Urteil v. 26.6.2007, B 1 KR 34/06 R).
Rz. 42
In der Regel kann der Rehabilitationsträger den Teilhabebedarf durch seine Leistungen decken. Ist dieses aber nicht der Fall und verbleibt trotz Leistungsverpflichtung des erstangegangenen Rehabilitationsträgers ein nicht befriedigter behinderungsbedingter Bedarf/Mehrbedarf, regelt § 15 die Leistungszuständigkeit. In diesem Zusammenhang wird auf die Komm. zu § 15 verwiesen.
Rz. 43
Dies gilt insbesondere in dem Fall, in dem das benötigte Hilfsmittel zu den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zählt, der Mehrbedarf aber z. B. durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 5 Nr. 2) abzudecken ist (vgl. BSG, Urteile v. 20.10.2009, B 5 R 5/07 R; v. 21.8.2008, B 13 R 33/07 R; v. 26.6.2007, B 1 KR 34/06 R; v. 25.6.2008, B 11b AS 19/07 R, sowie v. 29.11.2007, B 13 R 44/07 R). Der Mehrbedarf kann sich z. ...