Rz. 66
Der Rehabilitand kann das Funktionstraining nur so lange beanspruchen, wie dies aus medizinischer Sicht notwendig ist. Sofern das Ziel des Funktionstrainings erreicht ist, ist es zu beenden.
Die medizinische Notwendigkeit für das Funktionstraining ist auf jeden Fall so lange gegeben, wie der behinderte oder von Behinderung bedrohte Mensch während der Übungsveranstaltungen auf die fachkundige Leitung des Übungsleiters angewiesen ist, um das Ziel des Funktionstrainings (vgl. Rz. 59) zu erreichen.
Um nicht dauernd die Notwendigkeit von Funktionsprüfung hinterfragen zu müssen, haben sich die an der Rahmenvereinbarung (Rz. 58) Beteiligten darauf verständigt, für die Anspruchsdauer bestimmte Richtwerte vorzugeben. Diese Richtwerte garantieren dem Rehabilitanden einen gewissen Mindestanspruch auf Übungseinheiten. Von diesen Richtwerten kann der verordnende Arzt im Einzelfall auf der Grundlage einer individuellen Prüfung nach den Erfordernissen des Einzelfalls abweichen. In der Praxis ist allerdings solch eine Abweichung sehr selten.
Rz. 67
In der gesetzlichen Krankenversicherung beträgt der Leistungsumfang des Funktionstrainings i.d.R. 12 Monate (Richtwert). Bei schwerer Beeinträchtigung der Beweglichkeit/Mobilität durch chronisch bzw. chronisch progredient verlaufende entzündlich rheumatische Erkrankungen (rheumatoide Arthritis, Morbus Bechterew, Psoriasis-Arthritis), schwere Polyarthrosen, Kollagenosen, Fibromyalgie-Syndrome und Osteoporose beträgt der Leistungsumfang 24 Monate (Richtwert). Von diesem Richtwert kann der verordnende Arzt abweichen (vgl. Ziff. 4.4.3 der Rahmenvereinbarung). Die Praxis zeigt aber, dass solch eine Abweichung sehr, sehr selten ist.
Eine längere Leistungsdauer als 12 oder 24 Monate ist nach Einzelfallprüfung möglich, wenn die Leistungen notwendig, geeignet und wirtschaftlich sind. Das trifft zu, wenn
- wegen kognitiver oder psychischer Beeinträchtigungen (Behinderung) die langfristige Durchführung des Übungsprogramms in Eigenverantwortung nicht oder noch nicht möglich ist (Ziff. 4.4.4 der Rahmenvereinbarung) oder
- der behinderte Mensch aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes stark in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft eingeschränkt ist und das Funktionstraining für ihn somit ein besonderes Gemeinschaftserlebnis bedeutet oder
- immer wieder neue Übungen erlernt werden müssen, weil sich der Gesundheitszustand des Versicherten dauernd verändert oder
- die Übungen aus gesundheitlichen Gründen nur unter Aufsicht des Übungsleiters durchgeführt werden dürfen (z. B. Rehabilitand benötigt dauernd die Unterstützung eines Dritten, um die Übungen ohne gesundheitlichen Schaden durchführen zu können).
Ein zeitlich unbegrenzter Anspruch auf Funktionstraining besteht nach Einschätzung des Autors in der Praxis für einen großen Teil der Teilnehmer, da die Erkrankungen, die Funktionstraining notwendig machen, meist schleichend fortschreitend verlaufen und somit ein dauerndes "gegen die Krankheit Angehen" erfordern. Diese Rehabilitanden können bei Erfüllung der Voraussetzungen dann von ihrem Arzt nach Ablauf des Verordnungszeitraumes erneut Funktionstraining beanspruchen – und das über Jahre hinweg.
Es ist nach Auffassung des Autors nicht möglich, dass der Arzt auf einer Verordnung (Vordruck Muster 56) Funktionstraining statt der üblichen 12 bzw. 24 Monate für einen Zeitraum von 60 Monaten verordnet und als Begründung für die lange Verordnungsdauer nur darauf verweist, dass die Rahmenvereinbarung (Rz. 58) Richtwerte vorgibt. Nach Auffassung des Autors muss ein Arzt spätestens nach 24 Monaten die medizinische Notwendigkeit für das Funktionstraining überprüfen und bei Feststellung dieser Notwendigkeit erneut eine Verordnung für das Funktionstraining (Folgeverordnung) ausstellen.
Endet das Funktionstraining wegen Erreichen der vorgesehenen Höchstanspruchsdauer, ohne dass vom Arzt die Notwendigkeit für eine Folgeverordnung gesehen wird, kann das Funktionstraining zu einem späteren Zeitpunkt wieder notwendig werden – z. B. bei Verschlechterung des Gesundheitszustandes, sodass neue Übungen erlernt werden müssen.
Rz. 68
Nach Ziff. 15.2 der unter Rz. 58 aufgeführten Rahmenvereinbarung ist die Übertragung nicht genutzter Übungsveranstaltungen auf einen späteren Zeitraum nicht zulässig, wenn der Versicherte an der Teilnahme verhindert war. Eine Ausnahme billigen die Spitzenverbände der Krankenkassen den Versicherten aufgrund eines Schreibens an die Sportverbände/Selbsthilfeverbände v. 29.12.2005 lediglich bei krankheitsbedingten Unterbrechungen zu. Über sog. Verlängerungsanträge des Versicherten soll im Einzelfall entschieden werden. Von einer krankheitsbedingten Unterbrechung kann erst dann ausgegangen werden, wenn sie glaubhaft gemacht wird und nicht nur vorübergehend war. Als nicht nur vorübergehend wird ein Zeitraum von mehr a...