Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. sofortige Vollziehbarkeit -aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Rückforderungsbescheid
Leitsatz (amtlich)
Für eine Beschränkung der nach dem Gesetz in den Fällen des § 86a Abs 1 S 1 SGG grundsätzlich angeordneten aufschiebenden Wirkung bedarf es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung.
Orientierungssatz
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Rückforderungsbe- scheid (Erstattungsbescheid) nach § 50 SGB 10 im Hinblick auf überzahlte Leistungen nach SGB 2 haben aufschiebende Wirkung; insoweit gilt § 39 Nr 1 SGB 2 nicht.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 18. Januar 2007 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Klage der Antragstellerin vom 13. Dezember 2006 (S 7 AS 2267/06) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. Dezember 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2006 hinsichtlich der dort geforderten Erstattung in Höhe von 3.154,62 EUR aufschiebende Wirkung hat.
Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Instanzen zu erstatten.
Gründe
I.
Mit Bescheid vom 16. März 2005 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin und ihrem Ehemann Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) ab 1. März 2005. Mit Schreiben vom 30. August 2006 wies der Antragsgegner auf seiner Auffassung nach zu Unrecht bezogenes Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2005 in Höhe von 3.154,62 EUR hin und gab der Antragstellerin und ihrem Ehemann Gelegenheit zur Stellungnahme. Zur Begründung wies er auf in dieser Zeit bezogenes Einkommen des Ehemannes der Antragstellerin hin, das zu einem geringeren Leistungsanspruch geführt habe. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2005 hob der Antragsgegner den Bewilligungsbescheid vom 16. März 2005 und die nachfolgenden Änderungsbescheide teilweise auf und forderte die Erstattung der überzahlten Beträge. Dem widersprach die Antragstellerin und bat um Aussetzung der Vollstreckung. Dies lehnte der Antragsgegner ab, sah aber von einer zwangsweisen Geltendmachung der Erstattung ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2006 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück. Hiergegen hat die Antragstellerin am 13. Dezember 2006 Klage beim Sozialgericht Schleswig erhoben (S 7 AS 2267/06).
Am 10. Januar 2007 hat die Antragstellerin darüber hinaus beim Sozialgericht Schleswig einen Antrag auf Gewährung eines einstweiligen Rechtsschutzes gestellt und die Feststellung beantragt, dass ihre Klage gegen die geforderte Erstattung aufschiebende Wirkung entfaltet. Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 18. Januar 2007 die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit angeordnet, als ein Betrag von mehr als 414,75 EUR zurückgefordert worden ist. Zur Begründung hat es sich auf die in Literatur und Rechtsprechung vertretene Auffassung gestützt, nach der Klagen gegen Rückforderungsbescheide auf zu viel gezahltes Arbeitslosengeld II nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hätten.
Gegen die ihr am 23. Januar 2007 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 23. Februar 2007 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin. Zur Begründung nimmt sie Bezug auf Entscheidungen von Sozial- und Landessozialgerichten sowie Auffassungen in der Literatur, wonach Widerspruch und Anfechtungsklagen gegen auf Arbeitslosengeld II bezogene Erstattungsbescheide aufschiebende Wirkung hätten.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen,
und bemängelt die in dem Beschluss vorgenommene Berechnung der Forderung, da die gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II vorzunehmende prozentuale Aufteilung nicht berücksichtigt worden sei.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet. Die Klage gegen die Rückforderung des gesamten Betrages von 3.154,62 EUR hat aufschiebende Wirkung.
Verfahrensrechtliche Grundlagen für den von der Antragstellerin begehrten einstweiligen Rechtsschutz finden sich in § 86a und § 86b Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG ordnet als allgemeiner Grundsatz die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage an und bestimmt in Absatz 2 Ausnahmen hierzu, in denen die aufschiebende Wirkung entfällt. Als eine dieser Ausnahmen regelt § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG, dass ein Bundesgesetz den Nichteintritt der aufschiebenden Wirkung bestimmt. Ein solcher Fall ist jedoch nicht gegeben. Der insoweit in dem angefochtenen Beschluss in Bezug genommene § 39 Nr. 1 SGB II findet auf den vorliegenden Fall der Erstattung überzahlten Arbeitslosengeldes II keine Anwendung.
§ 39 SGB II bestimmt: “Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der 1. über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet oder 2. den Übergang eines Anspruchs bewirkt, haben keine aufschiebende Wirkung.„ Ob diese Vorschrift auch die Rückforderung bzw. Erstattung von Leistungen für verg...