Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzgeld. Antragstellung. Versäumung der Ausschlussfrist. Eintritt des maßgeblichen Insolvenzereignisses. Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit. Zeitpunkt des Beginns der Nachfrist
Orientierungssatz
1. Liegt das Insolvenzereignis der Abweisung des Insolvenzantrags mangels Masse vor und hat der Arbeitgeber den Betrieb fortgeführt oder wieder aufgenommen, so kann ein weiteres Insolvenzereignis nur zu einem neuen Insolvenzgeldanspruch führen, wenn der Arbeitgeber die Zahlungsfähigkeit wieder erlangt hat, bevor erneut Zahlungsunfähigkeit eintritt (vgl BSG vom 30.10.1991 - 10 RAr 3/91 = BSGE 70, 9 = SozR 3-4100 § 141b Nr 3).
2. Allein die vorübergehende Weiterzahlung von Lohn bzw Gehalt durch den Arbeitgeber ist kein ausreichender Anhaltspunkt dafür, dass zwischenzeitlich Zahlungsfähigkeit wieder erlangt worden ist.
3. Darauf, dass der Arbeitnehmer in Unkenntnis des ersten Insolvenzereignisses weitergearbeitet hat und nach § 183 Abs 2 SGB 3 einen Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden 3 Monate des Arbeitsverhältnisses haben kann, kommt es nicht entscheidend an, weil § 324 Abs 3 SGB 3 für den Beginn der Antragsfrist zunächst auf das maßgebliche Insolvenzereignis abstellt.
4. Der Zeitpunkt, ab dem die Nachfrist nach § 324 Abs 3 S 2 SGB 3 wegen Wegfalls der Hinderungsgrundes zu laufen beginnt, ist der Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer das Insolvenzereignis kennt oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt iS von § 324 Abs 3 S 3 SGB 3 hätte kennen müssen. Soweit der Arbeitnehmer sich eines Vertreters bedient, muss er Pflichtversäumnisse des Bevollmächtigten gegen sich gelten lassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin Insolvenzgeld (Insg) zusteht. Dabei geht es im Wesentlichen um die Rechtzeitigkeit der Antragstellung.
Die ... 1964 geborene Klägerin war seit dem 1. Juli 1998 als Verkäuferin bei dem Kurpark-Café W, Inhaber ... W, in G beschäftigt. Am 19. April 2000 wurde das Beschäftigungsverhältnis von ihr fristlos gekündigt.
Mit einem am 27. November 2000 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben teilte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) mit, dass sie die arbeitsrechtlichen Ansprüche der Klägerin vertrete. Grund der am 19. April 2000 erfolgten Kündigung sei gewesen, dass das Kurpark-Café W durch gerichtliche Verfügung mit sofortiger Wirkung geschlossen worden sei. Aus den Vormonaten hätten noch Gehaltszahlungen ausgestanden. Diese seien im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht worden; Vollstreckungsversuche seien jedoch fruchtlos geblieben. Es solle eine eidesstattliche Versicherung zur Zahlungsunfähigkeit des Herrn W vorliegen. Nunmehr stelle sich die Frage, ob hier nicht Insg in Betracht komme. Nach den jetzt vorliegenden Informationen solle Insolvenz im Juli 1999 beantragt und abgelehnt worden sein. Die zweimonatige Frist für einen Antrag auf Insg habe hier faktisch nicht zum Tragen kommen können. Zum einen seien die nicht erfüllten Gehaltsansprüche erst später entstanden, zum anderen sei der Klägerin nicht bekannt gewesen, dass ein Insolvenzantrag gestellt bzw. abgelehnt worden sei.
Dem Schreiben der NGG war ein von der Klägerin ausgefüllter Formularantrag auf Insg beigefügt.
Die Beklagte zog ein Schreiben der NGG vom 18. Oktober 1999 aus einem anderen Vorgang bei, in dem es ebenfalls um Ansprüche eines ehemals bei dem Kurpark-Café W Beschäftigten ging. Darin heißt es, die NGG habe im Oktober 1999 erfahren, dass im Juli 1999 ein Insolvenzantrag gestellt und mangels Masse zurückgewiesen worden sei.
Tatsächlich hat das Amtsgericht Eutin mit Beschluss vom 20. Juli 1999 (...) den Antrag des Herrn W auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt.
Mit Bescheid vom 12. Februar 2001 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Insg ab und führte zur Begründung aus, dass der Antrag nicht rechtzeitig gestellt worden sei. Gemäß § 324 Abs. 3 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sei Insg innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten zu beantragen. Diese Frist beginne nach dem Tage, an dem das Amtsgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des ehemaligen Arbeitgebers der Klägerin mangels Masse abgewiesen habe. Im Falle einer Weiterarbeit in Unkenntnis würden die Fristen des § 324 Abs. 3 SGB III uneingeschränkt gelten. Es sei allerdings zu prüfen gewesen, ob der Klägerin eine Nachfrist gemäß § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III habe eingeräumt werden können. Insg könne in diesen Fällen trotzdem gewährt werden, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt worden sei. Der NGG als der von der Klägerin bevollmächtigten Gewerkschaft sei der Abweisungsbeschluss vom 20. Juli 1999 jedoch bekannt gewesen. Somit hätte bereits im April 2000 Insg beantragt werden können. Eine Antragstellung sei jedoch erst nach Ablauf der Nachfrist erfolgt.
Ihren gegen diese Entscheidung am 2. März 2001 eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass ihr f...