Entscheidungsstichwort (Thema)
Versäumung der Antrags- bzw Nachfrist bei der Beantragung von Insolvenzgeld. Mehrere Insolvenzereignisse. Zurechnung des Verschuldens
Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitnehmer hat die Versäumung der Antrags- bzw Nachfrist bei der Beantragung von Insolvenzgeld zu vertreten, wenn er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung der Arbeitsentgeltansprüche bemüht hat. Bloße Nachfragen beim Arbeitgeber oder ein längeres Abwarten der Erfolglosigkeit einer Zwangsvollstreckung genügen hierfür nicht. Der Arbeitnehmer muss sich vielmehr bei anderen Stellen (zB Krankenkasse, Arbeitsamt, Insolvenzgericht) erkundigen, ob ein Insolvenzereignis eingetreten ist.
Hat der Arbeitnehmer eine dritte Person (beispielsweise einen Rechtsanwalt) mit der Durchsetzung seiner Arbeitsentgeltansprüche beauftragt, ist dessen Säumnis dem Arbeitnehmer zuzurechnen.
Leitsatz (redaktionell)
Bei mehreren Insolvenzereignissen ist das kalendermäßig erste Ereignis maßgeblich.
Ein Arbeitnehmer muss sich mit der gebotenen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Entgeltansprüche bemühen. Bloßes Nachfragen oder ein längeres Abwarten der Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung ist nicht ausreichend.
Normenkette
SGB III § 183 Abs. 1 S. 1, § 324 Abs. 3 Sätze 1-2
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 24. April 2003 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Insolvenzgeld (Insg) für die Zeit vom 1. Dezember 1998 bis zum 28. Februar 1999.
Der 1926 geborene Kläger war ab 1. August 1998 als Heizungs- und Lüftungsbauermeister bei der Firma F. GmbH, G., bei einem Monatsgehalt von 4.270,00 DM brutto beschäftigt. Er hielt gleichzeitig 5 % Gesellschaftsanteile an der GmbH. Das Arbeitsverhältnis wurde am 2. März 1999 durch den Kläger fristlos wegen Gehaltsrückstände gekündigt. Nach einem Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts G. vom 8. Juni 1999 - H. - stehen ihm Gehaltsansprüche in Höhe von 21.350,00 DM brutto abzüglich 3.900,00 DM netto zu. Ein Vollstreckungsversuch vom 8. September 1999 blieb erfolglos. Der Geschäftsführer der Firma F. GmbH, I., leistete am 18. Januar 2000 vor dem Amtsgericht G. die eidesstattliche Versicherung über sein Vermögensverzeichnis (Blatt 144 Gerichtsakte). Ein am 29. November 1999 gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens der AOK J. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts G. vom 11. September 2000 - K. - mangels Masse abgewiesen. Ein Insolvenzantrag des Klägers vom 30. März 2000 (Amtsgericht G. - L. -) war damit erledigt.
Am 20. März 2000 stellte der Kläger beim Arbeitsamt G. einen Antrag auf Insg für die Zeit Dezember 1998 - Februar 1999 und gab als Insolvenzereignis einen (angeblichen) Insolvenzeröffnungsbeschluss vom 18. Februar 2000 an. An diesem Tage hatte das Amtsgericht G. in dem durch die AOK J. eingeleiteten Verfahren einen Gutachtenauftrag zur Frage erteilt, ob ein Eröffnungsgrund vorliege. Im weiteren Verwaltungsverfahren bestritt die GmbH, dass der Kläger als Arbeitnehmer tätig gewesen sei. Der Kläger habe nur seinen Namen als Meister für den Eintrag in die Handwerkerrolle gegeben und dafür 1.200,00 DM als Entgelt erhalten. Der Arbeitsvertrag sei zum Schein abgeschlossen worden, weil die Handwerkskammer die vereinbarte Vergütung von 1.200,00 DM als zu gering angesehen habe. Der Kläger räumte ein, dass später aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten das Gehalt vorübergehend auf 1.200,00 DM netto reduziert worden sei. Er habe nicht nur seinen Namen zur Verfügung gestellt, sondern die Projekte als Meister begleitet und sei für die Betreuung des Auszubildenden verantwortlich gewesen.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26. Oktober 2000 und Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2001 die Zahlung von Insg ab, weil der Kläger bei der Firma F. GmbH keine abhängige Arbeitnehmertätigkeit ausgeführt habe. An die Feststellungen im Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts G. sei sie nicht gebunden. Hiergegen wurde am 16. Juli 2001 Klage erhoben.
Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat im Wege der Rechtshilfe beim SG Augsburg am 4. Februar 2003 den Geschäftsführer I. und den Auszubildenden M. zeugenschaftlich vernehmen lassen und mit Urteil vom 24. April 2003 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, es könne nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, dass der Kläger als Arbeitnehmer tätig gewesen sei. Die Vertragsbeziehung zwischen ihm und der Firma F. GmbH sei nicht durch die Erbringung weisungsgebundener Arbeit geprägt gewesen, sondern dadurch, dass der Geschäftsführer I. einen Konzessionsträger gebraucht habe.
Gegen das am 8. Mai 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Juni 2003 (Pfingstdienstag) Berufung eingelegt. Er rügt eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung durch das SG. Vor einer Entscheidung nach Beweislastregeln sei zumindest die Beiziehung der Akten des Insolvenzgerichts erforderlich gewesen.
Der Kläger beant...