Entscheidungsstichwort (Thema)
Förderung einer Berufsausbildung im Ausland. Berufsausbildungsbeihilfe. besondere Dienlichkeit der Maßnahme für das Erreichen des Bildungsziels und der Beschäftigungsfähigkeit. unbestimmter Rechtsbegriff. weite Auslegung. sonstige Aufwendungen. Erstattung der Einschreibe- und Prüfungsgebühr
Leitsatz (amtlich)
1. Berufsausbildungsbeihilfe ist bei besonderer Dienlichkeit auch für eine Ausbildung im europäischen Ausland zu gewähren.
2. Eine Ausbildung im Bereich Gastronomie und Hotelgewerbe im Ausland ist regelmäßig besonders dienlich (Anschluss an SG Stade vom 28.7.2009 - S 6 AL 196/06 = info also 2010, 167).
3. Der Begriff der besonderen Dienlichkeit ist vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Intention weit auszulegen.
4. Sonstige Aufwendungen nach § 64 Abs 3 S 2 SGB III können in der Einschreibe- und Prüfungsgebühr zu sehen sein (Anschluss an LSG Berlin-Potsdam vom 1.12.2010 - L 18 AL 336/09).
Tenor
1 Der Bescheid vom 22.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2014 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger dem Grunde nach Berufsausbildungsbeihilfe in der Form von Bedarf für den Lebensunterhalt vom November 2013 bis einschließlich März 2016, Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Berufsschule für die Zeiträume vom 31.03.2014 bis 16.05.2014, 03.11.2014 bis 05.12.2014 und 22.02.2016 bis 31.03.2016 sowie Kosten für eine Hin- und Rückreise je Ausbildungsjahr sowie sonstige Aufwendungen zu gewähren.
3. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Gewährung der Einschreibe- und Prüfungsgebühr unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
4. Die Beklagte hat dem Kläger 95,41 % seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe für eine Ausbildung in Portugal.
Der im Jahre 1996 geborene Kläger nahm zum 01.10.2013 eine Ausbildung zum Hotelfachmann bei der Deutsch-C. Industrie- und Handelskammer in C-Stadt in Portugal auf. Nach dem Berufsausbildungsvertrag musste der Kläger einen monatlichen Beitrag i. H. v. 75,-€ zahlen. Zusätzlich verpflichtete er sich zur Zahlung einer Einschreibegebühr i. H. v. 360,-€ sowie einer Gebühr für die Zulassung zur Abschlussprüfung i. H. v. 280,-€. Die Ausbildung dauerte 30 Monate; der Kläger schloss diese zum 31.03.2016 ab. Einkommen, insbesondere aus einer Ausbildungsvergütung, erzielte der Kläger während der Ausbildung nicht.
Er stellte am 07.11.2013 mündlich einen Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe.
In den ersten 2 1/2 Monaten nahm er am Unterricht der Berufsschule in C-Stadt auf; in der Zeit vom 17.10.2013 bis 31.12.2013 mietete er eine nahgelegene Wohnung in C-Stadt an. Die Miete betrug 200,-€ monatlich zuzüglich 33,-€ Nebenkosten; Mietzahlungen sind i. H. v. 600,-€ insgesamt durch Kontoauszüge nachgewiesen. Im Anschluss mietete der Kläger eine Ferienwohnung zu einer Miete i. H. v. 500,-€ einschließlich Nebenkosten. Die theoretische Ausbildung erfolgte im Blockunterricht und wechselte sich mit Zeiträumen der praktischen Ausbildung ab.
Ausweislich einer Bestätigung der Deutsch-C. Industrie- und Handelskammer vom 23.01.2014 wird die praktische Ausbildung in einem Hotel der Algarve durchgeführt; die theoretische Ausbildung findet in Form von Blockunterricht im Centro Dual statt. Die Ausbildung werde auf der Grundlage der in Deutschland geltenden Verordnung über die Berufsausbildung Gastgewerbe durchgeführt. Die Koordinatorin Ausbildung der Deutsch-C. Industrie- und Handelskammer bestätigte die Gleichwertigkeit der Berufsausbildung zum Hotelfachmann mit einer entsprechenden betrieblichen Inlandsausbildung mit Schreiben vom 23.01.2014. Das Berufsbild des Hotelfachmann entspricht den §§ 4, 6 BBiG.
Der Kläger reichte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 27.01.2014 den Formularantrag auf Berufsausbildungsbeihilfe nebst Anlagen bei der Beklagten ein. Dem Kläger entstanden Kosten für Flüge von Portugal nach Deutschland und zurück, die zu dem Zweck des Besuches seiner Familie erfolgten. Nachweise für bereits gebuchte Flüge reichte er ein. Ihm entstanden danach Kosten i. H. v. 308,04 € für die Flüge im Oktober 2013 für ihn und einen Erwachsenen. Kosten für einen durchgeführten Besuch seiner Eltern und seiner Schwester im Januar 2014 fielen i. H. v. 336,54 € sowie für gebuchte Flüge im April 2014 i. H. v. 467,94 € an. Im Mai 2014 entstanden dem Kläger Kosten für gebuchte Hin- und Rückflüge nach Deutschland zwecks Besuch seiner Familie i. H. v. 110,98 €. Zudem entstanden ihm Fahrtkosten für tägliche Pendlerfahrten zur Berufsschule in C-Stadt.
Der Vater des Klägers war vier weiteren Kindern zum Unterhalt verpflichtet, die sich zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Ausbildung bzw. Schulausbildung befanden. Er war als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht selbstständig tätig. Ausweislich des Steuerbescheides für das Jahr 2011 erzielte er ein Einkommen i. H. v. 25.789,-€, während seine Ehefrau ein Ein...