Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Widerruf eines Bewilligungsbescheides über die Gewährung von Beitragszuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung. Erfordernis der Benennung des den Widerruf rechtfertigenden Zweckes
Leitsatz (amtlich)
Ob ein erlassener Verwaltungsakt widerrufen werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Von Bedeutung ist insbesondere, ob der den Widerruf rechtfertigende Zweck ausdrücklich benannt ist.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2009 in der Fassung des Bescheides vom 5. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2010 wird aufgehoben, soweit die Gewährung der Beitragszuschüsse für die Vergangenheit bis zum 31. Mai 2009 aufgehoben wird.
2. Die Beklagte hat der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Widerruf der Bewilligungsentscheidung über die Gewährung von Zuschüssen zur Kranken- und zur Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. April 2002 bis zum 31. Mai 2009 sowie die Erstattung dieser gezahlten Zuschüsse.
Die am 29. Oktober 1951 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Diese wurde der Klägerin mit Bescheid vom 23. Juli 1997 bewilligt. Die Rente wurde mit Bescheid vom 28. Oktober 1997 neu berechnet. Mit diesem Bescheid bewilligte die Beklagte gleichzeitig Zuschüsse zur Kranken- und zur Pflegeversicherung. Hierzu war im Bescheid ausgeführt (Blatt 133 bis 133b der Verwaltungsakte der Beklagten):
“Berechnung der Rente
Die Berechnung der Rente ergibt sich aus der Anlage 1.
Sie haben Anspruch auf einen Beitragszuschuß zur freiwilligen Krankenversicherung.
Der Zuschuß wird ab 02.08.97 geleistet.
Sie haben Anspruch auf einen Beitragszuschuß zur Pflegeversicherung.
Der Zuschuß wird ab 02.08.97 geleistet.„
Weiter war im Bescheid folgender Hinweis enthalten:
“Der Anspruch auf Beitragszuschuß für die freiwillige oder private Krankenversicherung entfällt mit der Aufgabe oder dem Ruhen dieser Krankenversicherung und bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Änderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen. Dies gilt auch für Änderungen in den Verhältnissen von Familienangehörigen, deren Beitrag bei der Berechnung des Beitragszuschusses berücksichtigt wurde.
Der Anspruch auf Beitragszuschuß für die Pflegeversicherung entfällt bei Eintritt von Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sowie bei Eintritt von Beitragsfreiheit in der Pflegeversicherung. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses unverzüglich mitzuteilen.„
Die Beigeladene buchte entsprechende Versicherungsbeiträge bis einschließlich Mai 2009 vom Konto der Klägerin ab.
Die Beigeladene meldete später rückwirkend maschinell, dass sich eine Änderung der Daten zur Kranken- und zur Pflegeversicherung ergeben habe. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Beigeladene mit, dass sich im Rahmen einer durch die Klägerin angestrengten Überprüfung ergeben habe, dass diese seit dem 1. April 2002 pflichtversichert sei.
Mit Bescheid vom 3. September 2009 berechnete die Beklagte die der Klägerin gewährte Rente für die Zeit ab dem 1. Oktober 2009 neu und hörte gleichzeitig zu einer beabsichtigten Aufhebung des Bescheides über die Gewährung der Zuschüsse zur Kranken- und zur Pflegeversicherung sowie die Rückforderung der gezahlten Zuschüsse an.
Die Beklagte hob mit Bescheid vom 21. Oktober 2009 den Bescheid über die Bewilligung des Beitragszuschusses zur Kranken- und zur Pflegeversicherung für die Zeit ab dem 1. April 2002 auf und forderte den überzahlten Betrag in Höhe von 6.428,55 Euro zurück. Die Entscheidung stützte die Beklagte auf §§ 48, 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Während des Widerspruchsverfahrens erließ die Beklagte am 5. Mai 2010 einen weiteren Bescheid und stützte ihre Entscheidung nunmehr auf §§ 47, 50 SGB X. Denn eine Aufhebung nach § 48 SGB X scheide vorliegend aus, vielmehr sei der ursprüngliche Bescheid zu widerrufen, da auf Grund des Eintritts der Versicherungspflicht der den bewilligten Zuschüssen zugrundeliegende Zweck nicht mehr hätte erreicht werden können. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2010 zurück.
Am 11. August 2010 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Hannover Klage erhoben.
Sie beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2009 in der Fassung des Bescheides vom 5. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2010 aufzuheben, soweit die Gewährung der Beitragszuschüsse für die Vergangenheit bis zum 31. Mai 2009 widerrufen wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die getroffene Entscheidung für richtig.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf ...