Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung ohne Rechtsgrund gezahlter Beitragszuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Verjährung
Orientierungssatz
1. Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs ist ein Rückgriff auf die zivilrechtlichen bereicherungsrechtlichen Regelungen der §§ 812 ff BGB und damit auch auf die zivilrechtlichen Vorschriften der Entreicherung in §§ 818 und 819 BGB ausgeschlossen ist. Bei dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch handelt es sich um ein eigenständiges Rechtsinstitut des öffentlichen Rechts, welches keinen Raum für die ergänzende Heranziehung bürgerlich-rechtlicher Vorschriften lässt.
2. Zur Beantwortung der Frage, in welchen Fällen der Betroffene diesem Erstattungsanspruch den Wegfall der Bereicherung entgegenhalten kann, ist vielmehr zu prüfen, ob der Betroffene auf die Beständigkeit der eingetretenen Vermögenslage vertrauen durfte und ob sein Vertrauen unter Abwägung des öffentlichen Interesses an der Herstellung einer dem Gesetz entsprechenden Vermögenslage schutzwürdig ist. Die Erstattungspflicht entfällt danach erst dann, wenn das private Vertrauensschutzinteresse das öffentliche Interesse überwiegt (vgl. BVerwG vom 12.03.1985 - 7 C 48/82 und VG Magdeburg vom 27.03.2008 - 6 A 187/07).
3. Zur Verjährung des Beitragszuschusses gem § 405 RVO (Vorgängerregelung zu den Beitragszuschüssen nach § 257 SGB 5 und § 61 SGB 11) vgl BSG vom 02.06.1982 - 12 RK 66/81 Rdnr 20. Dies muss für die Kehrseite des Beitragsanspruchs, nämlich den hier geltend gemachten Erstattungsanspruch, ebenso gelten. Auch hier ist somit eine kurze vierjährige Verjährungsfrist zugrunde zu legen.
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.852,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 148,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung von Beitragszuschüssen zur privaten Kranken-und Pflegeversicherung für den Zeitraum von August 2004 bis einschließlich März 2006 streitig.
Der Beklagte war im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Klägerin abhängig beschäftigt. Hierbei gingen sowohl die Klägerin als auch der Beklagte davon aus, dass das Einkommen des Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum die Jahresarbeitsentgeltgrenze überstieg und der Beklagte damit nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterlag. Der Beklagte schloss daraufhin private Kranken- und Pflegeversicherungsverträge ab. Zu den insoweit anfallenden Versicherungsbeiträgen erhielt der Beklagte Beitragszuschüsse von der Klägerin.
Das Arbeitsverhältnis wurde mittlerweile beendet.
Am 23.05.2007 führte die Deutsche Rentenversicherung Bund bei der Klägerin eine Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 SGB IV durch. Geprüft wurde hierbei der Zeitraum vom 01.01.2003 bis 31.12.2006.
Hierbei stellte der Rentenversicherungsträger fest, dass das Einkommen des Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum von August 2004 bis einschließlich März 2006 die Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht überschritten hatte und er damit in diesem Zeitraum versicherungspflichtig in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung war. Die insoweit damit angefallenen Pflichtversicherungsbeiträge machte der Rentenversicherungsträger gegen die Klägerin mit Bescheid vom 28.09.2007 geltend. Der hiergegen durch die Klägerin erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg und wurde mit Widerspruchsbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 19.02.2008 zurückgewiesen. Sowohl die hiergegen durch die Klägerin erhobene Klage (Az.: S 5 R 767/08) als auch ein entsprechender Antrag der Klägerin auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Az.: S 9 KR 3967/07 ER und L 5 KR 231/08 ER-B) blieben ohne Erfolg. Die Klage gegen den Betriebsprüfungsbescheid der Rentenversicherung wurde mit Urteil vom 19.12.2011 abgewiesen. Der Beklagte war zu diesen Verfahren beigeladen.
Nachdem das Urteil vom 19.12.2011 mittlerweile in Rechtskraft erwachsen ist, zahlt die Klägerin ratenweise die durch den Rentenversicherungsträger nachgeforderten Pflichtversicherungsbeiträge.
Mit Schreiben vom 11.03.2008 forderte die Klägerin den Beklagten auf, die ihm für den Zeitraum von August 2004 bis einschließlich März 2006 in der irrtümlichen Annahme von Versicherungsfreiheit gezahlten Zuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung rückzuerstatten.
Nachdem dies durch den Beklagten abgelehnt wurde, erhob die Klägerin mit Datum vom 21.12.2010 Klage zum Sozialgericht Heilbronn. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe einen bereicherungsrechtlichen Anspruch gegen den Beklagten auf Rückzahlung der geleisteten Beitragszuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Die dreijährige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB sei mit der Klage unterbrochen. Auf Entreicherung könne sich der Beklagte nicht berufen...