Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Überprüfungsverfahren. Nachzahlung von Sozialleistungen. Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Regelsatz nach der Regelbedarfsstufe 1 statt nach der Regelbedarfsstufe 3. Verzinsung der Nachzahlung. Fälligkeit. Maßgeblichkeit des ursprünglichen Anspruchs
Leitsatz (amtlich)
1. Der Zinsanspruch nach § 44 SGB I teilt als gegenüber dem Hauptanspruch akzessorische Nebenleistung dessen rechtliches Schicksal, so dass bei der Nachzahlung einer Sozialleistung aufgrund eines Überprüfungsantrags nach § 44 SGB X für den Zeitpunkt des Zinsbeginns nicht auf den Überprüfungsantrag betreffend die Hauptleistung bzw die Entscheidung hierauf abzustellen ist, sondern auf die frühere Fälligkeit nach dem ersten Leistungsantrag im ursprünglichen Verwaltungsverfahren.
2. Bewilligt der Sozialhilfeträger auf Weisung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 31.3.2015 höhere Leistungen nach dem SGB XII unter Berücksichtigung eines Zuschlags in Höhe der Differenz zwischen der Regelbedarfsstufe 3 und der (höheren) Regelbedarfsstufe 1, hat er die sich hieraus ergebende Nachzahlung nach § 44 SGB I auf der Grundlage der Fälligkeit der ursprünglich bewilligten Leistungen zu verzinsen.
Tenor
Der Bescheid vom 6. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2015 wird aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger mit Bescheid vom 30. April 2015 zuerkannte Nachzahlung in Anwendung des § 44 SGB I bis einschließlich April 2015 zu verzinsen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Verzinsung eines Nachzahlungsbetrags von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Der 1984 geborene Kläger, bei dem ein Grad der Behinderung von 90 mit den Merkzeichen “G„, “H„ und “B„ anerkannt ist, bewohnt eine Wohnung im Haus seiner Eltern, die auch seine Betreuer sind. Er bezog in der Zeit vom 1. September 2011 bis zum 28. Februar 2015 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII unter Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 3.
Am 5. August 2014 und nochmals am 17. Dezember 2014 beantragte der Kläger unter Berufung auf Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die rückwirkende Neuberechnung und Nachzahlung der Leistungen ab dem 1. Januar 2011 unter Berücksichtigung der Regelbedarfsstufe 1 sowie eine Verzinsung der Nachzahlung. Der Beklagte teilte dem Kläger mit, dass der Antrag zunächst bis zum Vorliegen der Urteile des BSG zurückgestellt werde und bewilligte weiter Leistungen aufgrund der Regelbedarfsstufe 3.
Aufgrund einer Weisung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 31. März 2015 hob der Beklagte mit Bescheid vom 30. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juli 2015 die Leistungsbewilligungen für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 28. Februar 2015 auf und bewilligte dem Kläger höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines Zuschlags in Höhe der Differenz zwischen der Regelbedarfsstufe 3 und der (höheren) Regelbedarfsstufe 1, der in der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2013 monatlich 88,92 Euro, in der Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2014 monatlich 91,26 Euro und in der Zeit vom 1. Januar 2015 bis zum 28. Februar 2015 monatlich 92,43 Euro betrug. Wegen der Berechnung wird auf die Anlagen zum Bescheid Bezug genommen. Er setzte einen Nachzahlungsbetrag von insgesamt 2.347,02 Euro fest, den er im Mai 2015 auszahlte. Den (nicht weiter begründeten) Widerspruch hiergegen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 2015 zurück. Seine hiergegen erhobene Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (S 11 SO 2813/15) nahm der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2016 zurück.
Die Verzinsung des Nachzahlungsbetrags aus dem Bescheid vom 30. April 2015 nach § 41 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 6. August 2015 ab. Die Sechsmonatsfrist des § 44 Abs. 2 SGB I sei erst durch die Weisung des BMAS vom 31. März 2015 in Gang gesetzt worden, weil die ursprünglichen Leistungsbescheide unanfechtbar geworden seien. Der Nachzahlungsbetrag sei deutlich vor dem Fristende ausbezahlt worden. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2015 zurück.
Mit seiner am 20. November 2015 erhobenen Klage verfolgt der Kläger seinen Anspruch auf Verzinsung des Nachzahlungsbetrags weiter und macht hinsichtlich des Beginns der Verzinsung geltend, er habe bereits im sozialgerichtlichen Verfahren S 4 SO 1677/12 Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 beantragt.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 6. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger antragsgemäß die Nachzahlung aus dem Bescheid vom 30. April 2015 in Höhe von 2.347,02 € nach § 44 SGB I zu verzinsen.
Der Beklagt...