Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenbehandlung. Mann-zu-Frau-Transsexualismus. Anspruch auf Kostenübernahme für eine gesichtsfeminisierende Operation (hier: verneint). Abrechnung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nur nach geltenden Abrechnungsvorschriften. gesichtsfeminisierende Operation als neue Behandlungsmethode. keine Erweiterung des Leistungsspektrums bei Transsexualismus gemäß § 2b SGB 5
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Versicherte mit Mann-zu-Frau-Transsexualismus hat gegenüber ihrer Krankenkasse keinen Anspruch auf die Kostenübernahme für eine gesichtsfeminisierende Operation.
2. Zugelassene ambulante oder stationäre Leistungserbringer können auch bei geschlechtsangleichenden Operationen nur nach den geltenden Abrechnungsvorschriften ihre Leistungen abrechnen.
3. Zur Frage der gesichtsfeminisierenden Operation als neue Behandlungsmethode.
Orientierungssatz
§ 2b SGB 5, demzufolge ua geschlechtsspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen ist, erweitert nicht das von der höchstrichterlichen Rechtsprechung auf Grundlage des § 27 SGB 5 entwickelte Leistungsspektrum bei Transsexualität.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine gesichtsfeminisierende Operation.
Die am …..1981 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Bei ihr besteht eine Mann-zu-Frau-Transsexualität (F 64.0).
Mit Schreiben vom 30.10.2018, eingegangen bei der Beklagten am 02.11.2018, beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für eine gesichtsfeminisierende Operation. Sie gab an, im Alltag werde sie „auf Distanz“ weiblich wahrgenommen, was erheblich zur Verbesserung der Lebenssituation geführt habe. Jedoch gerate sie immer wieder in Situationen, in denen sie bei näherem Kontakt auf ihr Äußeres angesprochen werde. Bei Nahkontakt bekomme sie immer wieder Merkmale zugeschrieben, die sie der männlichen Geschlechtsrolle zuordneten. Hormonelle Veränderungen seien nach über drei Jahren Hormontherapie nicht weiter zu erwarten. Auch Psychotherapie sei nicht geeignet, den Leidensdruck zu verringern, sondern ausschließlich chirurgische Maßnahmen, wie sie in den Leitlinien beschrieben würden. Erschwerend komme hinzu, dass durch eine Kieferoperation im März 2017 ihr Aussehen wieder männlicher geworden sei. Sie legte eine Stellungnahme von Dr. T, Chefarzt der Abteilungen für plastische und ästhetische Chirurgie am Klinikum Landkreis E, vom 23.10.2018 vor, in der angegeben wurde, es sei eine gesichtsfeminisierende Operation geplant. In einem Kostenvoranschlag wurden die voraussichtlichen Kosten mit 16.500 € beziffert. Weiter vorgelegt wurde ein Arztbrief des Arztes für psychotherapeutische Medizin Dr. G. vom 28.10.2018, in dem ausgeführt wurde, es bestehe notwendig die medizinische Indikation für die geplanten plastisch-chirurgischen Korrekturen des Gesichts, weil auf keinem anderem Weg eine Lösung in Sicht sei, die auf Dauer den Leidensdruck lindere und damit eine psychische Stabilisierung und die soziale Integration fördere.
Die Beklagte forderte bei der Klägerin eine Fotodokumentation an, was von der Klägerin abgelehnt wurde. Die Beklagte beauftragte daraufhin am 14.11.2018 den MDK mit der Erstellung eines Gutachtens, spätestens bis zum 07.12.2018 werde über das Anliegen entschieden.
Mit Bescheid vom 04.12.2018 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Aufgrund der ausstehenden Unterlagen sei es dem MDK leider nicht möglich, ein sozialmedizinisches Gutachten innerhalb der gesetzlichen Frist zu erstellen.
Am 10.12.2018 erstattete die psychologische Psychotherapeutin im MDK Dr. Sch. ein sozialmedizinisches Gutachten. Sie führte aus, die beantragte Kostenübernahme könne nicht befürwortet werden. Zugrunde zu legen sei die Begutachtungsanleitung „Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität“, die vom GKV-Spitzenverband am 19.05.2009 erlassen worden sei. Diese Begutachtungsanleitung werde nicht durch die AWMF-S3-Leitlinie „Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphobie und Trans-Gesundheit: Diagnostik, Beratung und Behandlung“ ersetzt oder aufgehoben. Die Klägerin schildere lediglich vereinzelte negative Erfahrungen. Die Notwendigkeit der beantragten Operationen könne hieraus nicht abgeleitet werden. Es ergebe sich aus den vorliegenden Bilddokumentationen aus den Jahren 2017 und 2018 zudem auch nicht das Vorliegen einer Entstellung.
Die Klägerin legte Widerspruch ein und legte einen auf Englisch verfassten Arztbrief von Dr. van der D. aus B. sowie einen Kostenvoranschlag über 17.550 € vor. Der Arzt im MDK Dr. K. erstattete am 11.02.2019 ein weiteres Gutachten, ebenso die psychologische Psychotherapeutin im MDK Dr. Sch. am 11.03.2019. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2019 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die am 06.08.2019 beim Sozialgericht Koblenz eingegangene Klage.
Die Klägerin hat eine Stellungnahme des Facharztes für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. U. vo...