Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Geschäftsführer einer GmbH & Co KG. Rechtsmacht. Berücksichtigung von gesetzlich angeordneten Verfügungsbeschränkungen, die ein unabänderliches Vetorecht in der Gesellschafterversammlung begründen. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Gesetzlich angeordnete Verfügungsbeschränkungen wie zB eine Testamentsvollstreckung über Gesellschaftsanteile, die ein unabänderliches Vetorecht in der Gesellschafterversammlung begründen, müssen auch bei der sozialversicherungsrechtlichen Statusbeurteilung von Geschäftsführern beachtet werden, selbst wenn sie nicht im Handelsregister eingetragen wurden.
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 24.08.2023
gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 04.08.2023 wird angeordnet.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 12.928,31 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 24.08.2023 gegen den Beitragsbescheid der Antragsgegnerin vom 04.08.2023.
Die Antragstellerin ist eine GmbH und Co. KG (Wohn- und Gewerbebau) mit Sitz in A-Stadt. Betriebszweck ist die Konzeption, Planung und Organisation der Einrichtung von Handelsimmobilien wie z.B. von Fachmarktzentren oder von Fachmärkten. Persönlich haftender Gesellschafter ist seit 24.03.2017 die K. Beteiligungs-GmbH. Kommanditist ist Herr Y. K. (geb. 16.02.1994).
Herr U. K. ist Geschäftsführer der Antragstellerin (Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 22.12.2003 und Übernahmevereinbarung vom 01.09.2005). Gleichzeitig ist Herr U. K. Geschäftsführer der Komplementär GmbH (bis 23.03.2017 Komplementär-GmbH WG Wohn- und Gewerbebau GmbH und ab 24.03.2017 Komplementär-GmbH K. Beteiligungs-GmbH). Gemäß § 8 des Gesellschaftsvertrages werden Beschlüsse in der Komplementär-GmbH grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst. Die abstimmungsrelevanten Stimmanteile in der Gesellschafterversammlung der Wohn- und Gewerbebau GmbH und der K. Beteiligungs-GmbH werden zu 100 % Y. K. gehalten. Die Hälfte der abstimmungsrelevanten Gesellschaftsanteile hat er im Wege der Gesamtrechtsnachfolge von seinem Großvater (Herrn E. K.) geerbt (zum chronologischen Ablauf der Änderung der Gesellschafterliste vgl. den Schriftsatz des Bevollmächtigten im Verwaltungsverfahren vom 08.09.2022 S. 5 ff., Blatt I 21 Rückseite ff. Verwaltungsakte)
Der Geschäftsführer Herr U. K. wurde zum Testamentsvollstrecker über den Nachlass (u.a. Stimmanteile in Höhe von 50 % der Komplementär-GmbH) des am 13.10.2003 verstorbenen Herrn E. K. benannt (Testamentsvollstreckerzeugnis vom 11.11.2003 in der Fassung vom 04.05.2012). Es wurde angeordnet, dass die Testamentsvollstreckung andauert bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres des Erben (Y. K. geb. 16.02.1994), mindestens aber bis zum Tode des Testamentsvollstreckers U. K. Ferner hat der Erblasser angeordnet,
- dass der Testamentsvollstrecker in der Eingehung von Verbindlichkeiten für den Nachlass nicht beschränkt ist,
- dass der Testamentsvollstrecker ergänzend zu den gesetzlichen Aufgaben und Befugnissen über die Verwaltung des Nachlasses nach eigenem Ermessen entscheidet,
- dass der Testamentsvollstrecker auch berechtigt ist, Unternehmen oder Unternehmensteile, die zum Nachlass gehören, zu verkaufen,
- dass der Testamentsvollstrecker gegenüber dem Erben bevollmächtigt ist, alle vermögensrechtlichen und mitgliedschaftlichen Rechte des Erben bei den Beteiligungen des Erblassers auszuüben,
- dass der Testamentsvollstrecker alle Rechte des Erben an den vom Erblasser vererbten Gesellschaftsbeteiligungen auszuüben hat.
Die Antragsgegnerin erließ nach Anhörung der Antragstellerin am 28.04.2023 im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV für den Prüfzeitraum 01.01.2017 bis 28.02.2023 einen Beitragsbescheid vom 04.08.2023 mit einer Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 51.713,25 EUR. Die Antragsgegnerin führte dabei aus, Herr U. K. führe die Tätigkeit als Fremdgeschäftsführer der GmbH & Co. KG aus. Die Tätigkeit werde weisungsgebunden und eingegliedert in eine fremde Arbeitsorganisation erbracht. Bei der Ausführung der Geschäftsführertätigkeit unterliege Herr U. K. den Weisungen des Gesellschafters der Komplementär-GmbH. Ihm werde im Gesellschaftsvertrag der KG darüber hinaus kein maßgeblicher Einfluss auf sämtliche Entscheidungen innerhalb der KG eingeräumt. Alleingesellschafter der jeweiligen Komplementär-GmbH sei Herr Y. K. Innerhalb der jeweiligen Komplementär-GmbH habe Herr U. K. als Fremdgeschäftsführer keinen maßgeblichen Einfluss auf die Beschlüsse der Gesellschafter der GmbH. Er könne Beschlüsse des Gesellschafters gegen sich nicht verhindern. Er unterliege daher bei der Ausführung seiner Geschäftsführertätigkeiten für die KG den Weisungen des Gesellschafters der jeweiligen Komplementär-GmbH. Zwar sei Herr U. K. zum Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 13.10.2003 verstor...