Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. Vermittlungsbudget. Übernahme der Kosten für den Erwerb einer Fahrerlaubnis. Pauschalierung. Ermittlung des Wertes. typischer Normalfall. Nachvollziehbarkeit
Leitsatz (amtlich)
Der für das Erlangen einer PKW-Fahrerlaubnis gewährte Zuschuss darf zur Verwaltungsvereinfachung pauschaliert werden, muss dann aber ausreichen, um in einem im Bezirk des Jobcenters "typischen Normalfall" durchschnittlichen Kosten abzudecken. Es muss also mit der Pauschale möglich sein, typischerweise das Ziel zu erreichen, hier also eine Fahrerlaubnis für einen PKW zu erlangen. Was "typischer Normalfall" ist muss ermittelt werden, indem statistische Werte bei einer hierüber orientierten Behörde oder bei einer repräsentativen Auswahl an Fahrschulen erhoben werden. Die Ermittlung des Wertes muss nachvollziehbar dokumentiert sein und muss auf Anforderung vorgelegt werden können.
Tenor
1. Der Bescheid des Beklagten vom 13. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2015 wird aufgehoben und der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger erneut einen Zuschuss zum Erwerb seines Führerscheins zu bewilligen, wobei er über dessen 600 Euro überschreitende Höhe unter Anrechnung eines weitere evt. bewilligten Zuschusses nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Berücksichtigung der Auffassung des Gerichts neu zu entscheiden hat.
2. Der Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme weiterer Kosten des Führerscheinerwerbs.
Der Kläger steht bei dem Beklagten im Grundsicherungsbezug. Er erreichte seinen Hauptschulabschluss erst im Berufsvorbereitungsjahr, hier jedoch mit guten Noten.
Der Kläger beantragte durch seinen Vater am 27. April 2015 telefonisch und selbst schriftlich am 1. Juni 2015 die Übernahme von Kosten zur Erwerb des Führerschein B zur Anbahnung einer Ausbildung bei Fleischwaren S. GmbH, R., G-B. Der Ausbildungsbetrieb attestierte, dass der Kläger ab 1. September 2015 seine Ausbildung absolvieren wird. Diese finde am Standort A-Stadt und am Standort B-Stadt zu unterschiedlichen Arbeitszeiten (3-Schichtbetrieb) statt.
Die Ausbildung begann der Kläger am 25. März 2014 bei der Fahrschule R. und führte sie zum 27. Mai 2015 bei der Fahrschule G. fort.
Mit Bescheid vom 13. August 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger 600 Euro Zuschuss zum Erwerb des Führerscheins.
Mit seinem Widerspruch vom 26. August 2015 strebt der Kläger nach voller Kostenübernahme.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2015 zurück.
Der Kläger hat am 21. November 2015 Klage erhoben. Er teilt mit, er habe sich bei sieben Betrieben als Fleischer beworben, in G., G.-O., K., Wö. und A-Stadt bzw. B-Stadt. Ohne Führerschein hätte er seine Ausbildungsstelle nicht antreten dürfen. Arbeitszeiten seien 6.00 Uhr bis 15.00 Uhr oder 5.00 Uhr bis 14.00 Uhr. Schulunterricht habe er in Mainz, BBS II, ab 8 Uhr. Ihm sei mündlich volle Kostenübernahme zugesagt worden.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 13. August 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die vollen Kosten des Führerscheins zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf den Inhalt der Verwaltungsakte und des Widerspruchsbescheids. Er übersendet die ermessenslenkende Weisung „Auszahlung von Leistungen aus dem Vermittlungsbudget und der Freien Förderung„. Danach ist der Führerscheinerwerb u.a. bei keiner anderen Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes (ÖPNV, Fahrgemeinschaften) bis zur Höhe von 1.200 Euro (Abtretung an Fahrschule; in zwei Raten bei Anmeldung und nach Vorlage des Führerscheins) möglich. Er moniert, dass Vertragspartner der Fahrschule nicht der Kläger sondern seine Mutter sei. Es sei dem Kläger keine Kostenzusage gegeben worden. Es seien Kosten vor Antragstellung entstanden. Der Kläger sei auch ohne Förderzusage entschlossen gewesen, die Ausbildung aufzunehmen.
Das Gericht hat die Sache am 6. September 2016 mit den Beteiligten erörtert. Diese haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der übrigen Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die zulässige Klage ist im Sinne der Verurteilung des Beklagten zur Neubescheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts begründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Als Anspruchsgrundlage für die Übernahme der Kosten für den Erwerb eines Führerscheins kommt § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Betracht, wonach der SGB II-Leistungsträ...