Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Versicherungsschutz bei Schutzimpfungen im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Auslandsdienstreise. Rechtsmittel gegen Zwischenurteile. Rechtskraftfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
Eine vor Eintritt in die Beschäftigung wegen einer bevorstehenden Dienstreise nach Indien im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge auf Veranlassung des künftigen Arbeitgebers durchgeführte Schutzimpfung gegen Hepatitis und Typhus begründet den Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 3 SGB VII.
Ein Zwischenurteil zur Feststellung des Versicherungsschutzes (§ 130 Abs 2 SGG) unterliegt der Berufung.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Kläger zu Lasten der Beklagten bei Durchführung der Schutzimpfungen am 14.1.2010 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) um die Frage, ob eine Schädigung des linken Auges Folge eines Arbeitsunfalls ist.
Der am … 1966 geborene, somit heute 49-jährige Kläger war ursprünglich bei der Firma F. (W.), der F. L.-KG, beschäftigt.
Zum 1.2.2010 begründete der Kläger bei der Firma B. (O.), einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten, ein neues Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis (Leiter des Rechnungswesens). Da zu Beginn des neuen Arbeitsverhältnisses eine Dienstreise nach Indien geplant war, ließ sich der Kläger auf Empfehlung seines neuen Arbeitgebers am 14.1.2010 gegen Hepatitis und Typhus impfen. Daraufhin trat am 30.1.2010 eine Entzündung des linken Sehnervs auf. Wegen dieser Erkrankung erstattete die F. L.-KG, bei der der Kläger ab Juni 2010 erneut beschäftigt war, im Dezember 2010 über den für sie maßgeblichen Unfallversicherungsträger eine Unfallanzeige. Diese wurde an die Beklagte weitergeleitet.
Mit Schreiben vom 31.1.2011 teilte die Firma B. mit, der Kläger sei für ihr Unternehmen vom 1.2.2010 bis zum 5.5.2010 tätig gewesen. Ursprünglich sei für die Zeit vom 25.2.2010 bis zum 4.3.2010 eine Geschäftsreise zu den Tochtergesellschaften nach Indien vorgesehen gewesen. Diese Reise sei jedoch aufgrund der angesprochenen Augenerkrankung storniert worden. Wegen der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht würde den reisenden Mitarbeitern generell nahegelegt, sich entweder über den Haus- oder den Betriebsarzt über die für das Reiseziel zu empfehlenden Impfungen zu informieren und sich zum Schutz vor gesundheitlichen Risiken impfen zu lassen. Die hierfür anfallenden Kosten würden vom Arbeitgeber übernommen. Allerdings bestehe in dem Unternehmen keine Impfpflicht. Auch wenn dem Kläger im vorliegenden Fall die Hepatitis-und Typhusimpfung möglicherweise dringend empfohlen worden sei, bleibe es letztlich doch den Mitarbeitern selbst überlassen, über die Durchführung der jeweiligen Impfung zu entscheiden. Es komme durchaus vor, dass Mitarbeiter, die beispielsweise nach China reisten, von den empfohlenen Schutzimpfungen Abstand nähmen.
Nach Beiziehung umfangreicher medizinischer Befundunterlagen und augenärztlicher Begutachtung des Klägers (Gutachten Prof. B.-Sch., Universitäts-Augenklinik, Tübingen September 2013) teilte die Beklagte dem Kläger mit dem Bescheid vom 8.1.2014 mit, dass aus ihrer Sicht ein Arbeitsunfall nicht vorliege. Denn Krankheiten, die - wie hier - nur im zeitlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit zum Ausbruch kämen oder bemerkbar würden, ohne durch die Arbeit verursacht zu sein, würden vom Unfallversicherungsträger nicht entschädigt.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 21.1.2014 erfolglos Widerspruch (Widerspruchsbescheid vom 22.1.2015).
Am 24.2.2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht erhoben. Auf den gerichtlichen Hinweis vom 5.5.2015, dass unabhängig von allen medizinischen Fragen zur Kausalität bereits das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses sehr zweifelhaft erscheine, trägt der Kläger folgendes vor: Falls im Hinblick auf die Schutzimpfung kein Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII (Beschäftigung) bestehen sollte, bleibe die Klage gleichwohl aufrechterhalten. Denn nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII seien auch Personen versichert, die sich einer ärztlichen Untersuchung oder ähnlichen Maßnahmen, die zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit erforderlich seien, unterzögen. So liege es hier, denn die angeführte Impfung sei für die Arbeitsaufnahme bei dem neuen Arbeitgeber notwendig gewesen und von diesem veranlasst worden. Denn sein Aufgabengebiet bei der Firma B. habe im Wesentlichen die Pflege der Geschäftsbeziehungen nach China und Indien umfasst und deshalb ausgedehnte Reisetätigkeiten in diese Länder beinhaltet. Deshalb sei ihm von seinem neuen Arbeitgeber mitgeteilt worden, dass neben den Regelimpfungen, die auch im Inland notwendig seien, insbesondere auch die streitgegenständlichen Impfungen vorgeschrieben seien. Darüber hinaus sei auch eine Tollwutimpfung üblich. Er sei deshalb aufgefordert worden, bere...