Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Beschwerdeausschuss. versehentliche Bekanntgabe seines Widerspruchsbescheids nur an Vertragsarzt und nicht an anwaltlichen Bevollmächtigten. Geltung der Zugangsfiktion des § 37 Abs 2 S 1 SGB 10. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Leitsatz (amtlich)
Gibt der Beschwerdeausschuss versehentlich seinen Widerspruchsbescheid nur dem betroffenen Vertragsarzt und nicht seinem anwaltlichen Bevollmächtigten bekannt, so gilt die Zugangsfiktion des § 37 Abs 2 S 1 SGB 10 und wird die Klagefrist von einem Monat in Gang gesetzt. Durch die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 Abs 1 SGG hat der Gesetzgeber einen angemessenen Ausgleich zwischen Rechtssicherheit einerseits und materieller Gerechtigkeit andererseits geschaffen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Streitwert wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung einer schriftlichen Beratung im Rahmen einer Heilmittel-Richtgrößenprüfung für das Jahr 2010.
Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft, im Prüfzeitraum bestehend aus vier Ärzten, tätig in der hausärztlichen Versorgung.
Unter dem Datum des 31.8.2009 teilte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen in Hessen dem Kläger die Eröffnung eines Verfahrens wegen der Jahres-Richtgrößenprüfung Heilmittel 2007 mit. Bei der Klägerin liege eine Überschreitung des Richtgrößenvolumens im Umfang von 67 % vor. Sie forderte die Klägerin zur substantiierten Stellungnahme auf.
Mit Schreiben vom 2.10.2009 zeigte die Bevollmächtigte der Klägerin an, dass sie von der Klägerin mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt sei und übersandte mit Schreiben vom 8.10.2009 eine Vollmacht der Klägerin. In dieser heißt es: "Zustellungen werden nur an den Bevollmächtigten erbeten!"
Nachdem sie Akteneinsicht genommen hatte, nahm die Bevollmächtigte mit Schreiben vom 03.11.2009 verfahrens- und materiell-rechtlich Stellung zur Richtgrößenprüfung.
Mit Bescheid vom 17.12.2009 wurde durch die Prüfungsstelle eine schriftliche Beratung festgesetzt. Diese wurde im Einzelnen begründet und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.
Die Prüfungsstelle adressierte diesen Bescheid namentlich an die Klägerin an die Klägerin unter deren Praxisanschrift. Sie gab ihn am 17.12.2009 zur Post.
Mit Schreiben vom 27.9.2012 erkundigte sich die Bevollmächtigte bei der Prüfungsstelle nach dem Sachstand.
Hierauf teilte die Prüfungsstelle mit, dass der Bescheid bereits an die Klägerin übersandt worden sei und übersandte ihn mit Schreiben vom 16.10.2012 als Kopie an die Bevollmächtigte. In diesem Schreiben teilte die Prüfungsstelle mit, dass der Bescheid versehentlich der Gemeinschaftspraxis und nicht der Bevollmächtigten zugestellt worden sei und bat dies zu entschuldigen.
Am 20.11.2012 erhob die Bevollmächtigte Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.12.2009 und begründete diesen mit dem vorgenannten Schreiben sowie ergänzend mit Schreiben vom 24.04.2013.
Auf den Hinweis des Beklagten mit Schreiben vom 07.03.2013, dass der Widerspruch möglicherweise wegen Verfristung unzulässig sei und es die Möglichkeit gebe, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen, teilte die Bevollmächtigte mit Schreiben vom 11.03.2013 mit, dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung durch sie nicht möglich sein dürfte, da ein Verschulden durch sie nicht vorliege.
Den Widerspruch wies der Beklagte aufgrund des Beschlusses vom 8.5.2013 mit Bescheid vom 4.10.2013 als unzulässig zurück.
Zur Begründung führte sie aus, sie gehe davon aus, dass die Bekanntgabe des Bescheids der Prüfungsstelle spätestens am Montag, den 21.12.2009, gegenüber der Klägerin erfolgt sei. Eine Zustellung an die Bevollmächtigte sei rechtlich nicht zwingend erforderlich gewesen. Die Widerspruchseinlegung sei verfristet gewesen. Der Bescheid vom 17.12.2009 sei bestandskräftig geworden. Im Übrigen sei die Aufhebung des vorgenannten Bescheids nach § 44 SGB X nicht zu prüfen gewesen, weil es unter Berücksichtigung aller Ermessensgesichtspunkte geboten sei, auf der Bestandskraft des Bescheids zu verharren. Außerdem lägen Gründe für die Bejahung der von Amts wegen geprüften Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vor.
Dieser Bescheid des Beklagten wurde der Bevollmächtigten der Klägerin am 7.10.2013 zugestellt.
Die Klägerin hat am 8.11.2013 Klage erhoben.
Sie trägt vor, sie habe durch Unterzeichnung der Vollmacht in dem Verfahren bestimmt, dass die Zustellungen nur an die Prozessbevollmächtigten ergehen sollten.
Durch das Verschulden des Beklagten sei die bevollmächtigte Kanzlei nicht in Kenntnis gesetzt, mithin der Klägerin die Einhaltung der Rechtsmittelfrist abgeschnitten worden. Sie, die Klägerin, habe durch die Bevollmächtigung der Anwälte klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass sie durch diese in dem Verfahren vertreten werden möchte. Auch habe die Gegenseite dieses so verstanden, da auf dem Beschei...