Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung. Nichtigkeit. Regressbescheid. Insolvenzverfahren
Leitsatz (amtlich)
Regressbescheide, die an einen Vertragsarzt, der zugleich Gemeinschuldner ist, während eines laufenden Insolvenzverfahrens wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise in vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegenden Quartalen ergehen, sind nichtig (Anschluss an BFH vom 18.12.2002 - I R 33/01 = BFHE 201, 392 = BStBl II 2003, 630 = NJW 2003, 2335, juris Rdnr. 6 u. 9: BFH vom 4.5.2004 - VII R 45/03 - BFHE 205, 409 = BStBl II 2004, 815 = BB 2004, 1546, juris Rdnr. 14; BFH vom 2.7.1997 - I R 11/97 - BFHE 183, 365 = BStBl II 1998, 428 = NJW 1998, 630, juris Rdnr. 10).
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.679,37 € zu zahlen.
2. Die Verfahrenskosten hat die Beklagte zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Auszahlung von 21.679,37 Euro.
Der Kläger ist als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.
Mit Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 30.06.1999, Az.: wurde über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und Rechtsanwalt C. zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Amtsgericht hob mit Beschluss vom 22.10.2002 nach Abhaltung des Schlusstermins und Abnahme der Schlussrechnung das Verfahren auf.
Mit Bescheiden vom 27.10.1999 (ausgefertigt am 22.03.2000) für das Quartal I/98 lehnte der Prüfungsausschuss A-Stadt die Festsetzung eines Regresses wegen Verordnung von Arzneimitteln und wegen veranlasster physikalisch-therapeutischer Maßnahmen ab. Hiergegen legten die Verbände der Krankenkassen Widerspruch ein. Der Prüfungsausschuss setzte mit zwei weiteren Bescheiden vom 03.05.2001 für die Quartale II und III/98 einen Arzneikostenregress in Höhe von 7.290,00 DM und für die Quartale II/98 bis II/99 einen Regress und wegen veranlasster physikalischtherapeutischer Maßnahmen in Höhe von 19.044,00 DM fest. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Der Beschwerdeausschuss verband alle Widerspruchsverfahren. Mit Beschluss vom 15.05.2002, ausgefertigt am 09.10.2002, wies er die Widersprüche des Klägers zurück und setzte für das Quartal I/98 einen Regresses wegen Verordnung von Arzneimitteln von 4,00 DM pro Fall brutto und wegen veranlasster physikalisch-therapeutischer Maßnahmen von 19,00 DM pro Fall fest.
Mit Kontoauszug vom 25.02.2005 belastete die Beklagte das Honorarkonto des Klägers für das Quartal III/04 mit dem Arzneikostenregress für das Quartal III/98 und dem Regress wegen veranlasster physikalisch-therapeutischer Maßnahmen für das Quartal II/98 in Höhe von insgesamt 6.394,40 Euro.
Mit Kontoauszug vom 03.05.2005 belastete die Beklagte das Honorarkonto des Klägers für das Quartal IV/04 mit dem Regress wegen veranlasster physikalisch-therapeutischer Maßnahmen für die Quartale I und II/98 in Höhe von insgesamt 7.053,94 Euro.
Mit Kontoauszug vom 04.08.2005 belastete die Beklagte das Honorarkonto des Klägers für das Quartal I/05 mit dem Regress wegen veranlasster physikalisch-therapeutischer Maßnahmen für das Quartal I/98 in Höhe von insgesamt 8.231,03 Euro.
Der Kläger widersprach den Belastungen mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 05.10.2005. Hierauf erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 05.12.2005. Sie verwies auf die Bestandskraft des Beschlusses des Beschwerdeausschusses und die Ankündigung im Schreiben vom 08.03.2004, den Beschluss umzusetzen. Hiergegen habe der Kläger keinen Einwand erhoben. Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 09.01.2005 forderte der Kläger unter Fristsetzung die Gutschrift der Beträge. Mit den Bescheiden aus den Jahren 1999 und 2000 sei ein Regress von 116.000,00 Euro festgesetzt worden. Diese Bescheide seien jedoch nicht wirksam geworden, da sie dem damaligen Insolvenzverwalter hätten zugestellt werden müssen. Für ein Widerspruchsverfahren gelte Entsprechendes. Die Beklagte gebe ferner selbst an, ihre Ansprüche an die AOK abgetreten zu haben. Es sei auch ein Insolvenzplan beschlossen und durchgeführt worden, der alle Ansprüche erfasst habe.
Der Kläger hat am 24.02.2006 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt a. M. erhoben. Dieses hat mit Beschluss vom 03.04.2006, Az.: S 2 AR 7/06 den Rechtsstreit an das erkennende Gericht verwiesen.
Der Kläger trägt vor, die Regressbescheide hätten dem Insolvenzverwalter zugestellt werden müssen. Hieran fehle es. Die Regressbescheide seien deshalb nicht wirksam geworden. Gem. § 9 Abs. 3 InsO reiche die öffentliche Bekanntmachung aus. Auch öffentlich-rechtliche Forderungen könnten nach § 87 InsO nur im Insolvenzverfahren durchgesetzt werden. Gem. § 38 InsO sei eine Forderung als Insolvenzforderung zu qualifizieren, wenn sie zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits begründet sei. Der anspruchsbegründende Tatbestand müsse bereits vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen sein bzw. es könne bei bestehendem Schuldverhältnis sich die Forderung erst nach Verfahrenseröffnung ergeben. Di...