Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung Hessen. Erweiterte Honorarverteilung. Aufhebung bestandskräftiger Bescheide nach § 44 Abs 2 SGB 10. Ermessen
Leitsatz (amtlich)
Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung bestandskräftiger Bescheide über Leistungen aus der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen kommt ausschließlich Absatz 2, nicht Absatz 1 des § 44 SGB X in Betracht. Eine Kassenärztliche Vereinigung gehört nicht zu den Leistungsträgern nach § 12 SGB I und die EHV-Leistungen dienen nicht der Verwirklichung ihrer sozialen Rechte im Sinne des § 11 SGB I.
Orientierungssatz
1. Die Entscheidung einer Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV), ob sie bestandskräftig gewordene Honorarbescheide zurücknimmt und ggf Nachvergütungen gewährt, ist von den Gerichten nur auf Ermessensnichtgebrauch, -fehlgebrauch und Ermessensüberschreitung zu prüfen (vgl BSG vom 22.6.2005 - B 6 KA 21/04 R = SozR 4-1300 § 44 Nr 6, RdNr 17).
2. Dabei kann sie jeweils die finanziellen Auswirkungen im Falle einer gegenüber den betroffenen Ärzten positiven Entscheidung für die Gesamtheit ihrer Mitglieder berücksichtigen und als ausschlaggebend ansehen. Bei einer auf generelle Abwägung abstellenden Ermessensausübung ist die KÄV nicht verpflichtet, als maßgeblichen Gesichtspunkt eine mögliche besondere individuelle Betroffenheit des Arztes zu berücksichtigen (vgl BSG vom 22.6.2005 - B 6 KA 21/04 R aaO, RdNr 19).
3. Das Ermessen der KÄV, ob sie inzwischen als rechtswidrig erkannte Honorarbescheide zurücknimmt und Nachvergütungen leistet, ist nur im atypischen Fall von vornherein im Sinne der Bescheidkorrektur und Nachvergütung vorgeprägt, soweit sie nämlich auf die Entscheidung ihrer Mitglieder, Rechtsmittel einzulegen, direkten oder indirekten Einfluss genommen und für ihre entsprechenden Auskünfte ggf einzustehen hat (vgl BSG vom 22.6.2005 - B 6 KA 21/04 R aaO, RdNr 21).
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Neufeststellung der Leistungen aus der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) der Beklagten für die 14 Quartale I/12 bis II/12 und III/12 bis II/15 nach § 44 SGB X. Es handelt sich um eine von zwei bei der Kammer anhängigen Musterklagen.
Der Kläger war zur vertragsärztlichen Versorgung in Hessen zugelassen. Als solcher unterlag er den Grundsätzen der Erweiterten Honorarverteilung der Beklagten. Er nimmt seit 01.01.2009 an der EHV teil. Die Beklagte hat einen Anspruch an der EHV mit dem Anspruchssatz von 17,0550 % anerkannt. Gegen die Bescheide zur EHV-Festsetzung für die Quartale I und II/09 legte der Kläger Widerspruch ein, dem die Beklagte zwischenzeitlich mit Neufestsetzungen abgeholfen hat.
Die Beklagte setzte jeweils mit Bescheid den EHV-Anspruch des Klägers für die Quartale I/09 bis II/12 wie folgt fest:
|
Quartal |
Bescheid vom |
Bl. |
Durchschnittshonorar in € |
Bruttohonorar in € |
Quote in % |
Nettohonorar in € |
I/09 |
10.09.2009 |
2 |
48.178,21 |
8.216,79 |
82,6214 |
6.788,83 |
II/09 |
03.12.2009 |
7 |
45.331,31 |
7.731,25 |
82,4628 |
6.375,41 |
III/09 |
09.03.2010 |
12 |
44.371,46 |
7.567,55 |
82,4432 |
6.238,93 |
IV/09 |
17.06.2010 |
15 |
45.684,17 |
7.791,44 |
82,6382 |
6.438,70 |
I/10 |
10.09.2010 |
18 |
47.727,22 |
8.139,88 |
82,9310 |
6.750,48 |
II/10 |
19.11.2010 |
21 |
47.365,83 |
8.078,24 |
81,5666 |
6.589,15 |
III/10 |
02.03.2011 |
24 |
44.320,51 |
7.558,86 |
78,7680 |
5.953,97 |
IV/10 |
22.06.2011 |
27 |
46.351,96 |
7.905,33 |
78,1374 |
6.177,02 |
I/11 |
07.03.2012 |
30 |
47.374,21 |
8.079,67 |
77,3964 |
6.253,37 |
II/11 |
07.05.2012 |
33 |
46.254,46 |
7.888,70 |
77,0578 |
6.078,86 |
III/11 |
27.08.2012 |
38 |
46.708,30 |
7.966,10 |
76,4227 |
6.087,91 |
IV/11 |
31.10.2012 |
41 |
47.916,25 |
8.172,12 |
80,0000 |
6.537,70 |
I/12 |
21.01.2013 |
44 |
48.037,21 |
8.192,75 |
80,0000 |
6.554,20 |
II/12 |
10.04.2013 |
47 |
46.865,12 |
7.992,85 |
80,0000 |
6.394,28 |
Die Beklagte wandelte mit Bescheid vom 29.06.2012 aufgrund der Neuregelung der Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung den Anspruchssatz von 17,0550 % mit dem Umrechnungsfaktor 666,666 in einen EHV-Anspruch in Höhe von 11.370 Punkten zum 01.07.2012 um. Ferner setzte sie die monatliche EHV-Zahlung bei einem Auszahlungspunktwert von 0,1867 € für ein Jahr ab 01.07.2012 auf 2.122,78 € brutto fest. Die Beklagte erhöhte mit Bescheid vom 27.06.2013 den Auszahlungspunktwert auf 0,1917 € und setzte die monatliche EHV-Zahlung ab 01.07.2013 für ein Jahr auf 2.179,63 € brutto fest. Die Beklagte erhöhte mit Bescheid vom 26.06.2014 den Auszahlungspunktwert auf 0,1966 € und setzte die monatliche EHV-Zahlung ab 01.07.2014 für ein Jahr auf 2.235,34,20 € brutto fest. Die Beklagte erhöhte mit Bescheid vom 29.06.2015 den Auszahlungspunktwert auf 0,2294 € und setzte die monatliche EHV-Zahlung ab 01.07.2015 für ein Jahr auf 2.608,28 € brutto fest.
Der Kläger beantragte am 04.02.2016 die Neufeststellung seiner Leistungen aus der EHV ab dem Quartal I/09.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 22.04.2016 den Antrag bzgl. der Quartale ab III/09 ab. Für die Quartale I und II/09 wies sie auf anhängige Widerspruchsverfahren. Zur Begründung führte sie aus, die Bes...