Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Untätigkeitsklage. Nichtbescheidung eines Teilhabeantrags durch den Sozialhilfeträger. zureichender Grund. fehlende Entscheidungszuständigkeit. unverzügliche Weiterleitung des Antrags an die Bundesagentur für Arbeit. Zuständigkeit der BA im Außenverhältnis gegenüber dem Antragsteller. Antragssplitting. Ausschluss einer Zuständigkeit der BA für die Übernahme der neben den Kosten für eine Berufsausbildung anfallenden Kosten für eine ambulante Betreuung in einer Wohngruppe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Zuständigkeitszuweisung für Leistungen zur Teilhabe nach §§ 14, 15 SGB IX (juris: SGB 9 2018) führt zu einer Außenzuständigkeit eines Rehabilitationsträgers gegenüber dem Antragsteller.

2. Neben dieser Außenzuständigkeit besteht kein Anspruch auf Entscheidung eines anderen Rehabilitationsträgers. Es besteht dann ein sachlicher Grund im Sinne von § 88 Abs 1 SGG für die Nichtentscheidung des anderen Rehabilitationsträgers.

3. Ein Antragssplitting nach § 15 Abs 1 SGB IX setzt voraus, dass objektiv eindeutig feststeht, dass der ansonsten leistende Rehabilitationsträger von vornherein für den abzuspaltenden Teil gemäß § 6 Abs 1 SGB IX nicht zuständig sein kann.

 

Tenor

I. Die Untätigkeitsklage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Untätigkeitsklage eine Entscheidung des Beklagten über seinen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine ambulante Betreuung in einer Wohngemeinschaft als Leistung zur Teilhabe.

Der 1990 geborene Antragsteller leidet seit Jahren unter psychischen Erkrankungen, die medikamentös gut eingestellt seien. Er übte nach dem Abitur jahrelang verschiedene angelernte Tätigkeiten aus, insbesondere als Lagerarbeiter. Ab 26.09.2017 lebte der Antragsteller in einer Übergangseinrichtung für Menschen mit Suchterkrankungen in P.. Kostenträger dieser Maßnahme als Eingliederungshilfe für Wohnen und Tagesbetreuung seelisch behinderter Erwachsener und für Hilfe zum Lebensunterhalt war der Beklagte als überörtlicher Träger der Sozialhilfe (Bescheid vom 09.11.2017).

Mit Schreiben vom 22.06.2018 teilte der Kläger der Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 1) mit, dass er eine nicht näher bezeichnete Berufsausbildung anstrebe. Nach mehreren Rückfragen wurde mitgeteilt, dass es sich um eine dreijährige Berufsausbildung zum Gärtner handle. Die Beigeladene zu 1 teilte dem Kläger mit Bescheid vom 07.08.2018 mit, dass sie die nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX die für die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständige Rehabilitationsträgerin sei. Der Kläger erhalte in Kürze nähere Informationen und gegebenenfalls erforderliche Leistungsanträge und Fragebögen zur Erbringung der bewilligten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. In der Folge bewilligte die Beigeladene zu 1 Ausbildungsgeld von monatlich 111,- Euro und das örtlich zuständige Jobcenter (Beigeladener zu 2) Arbeitslosengeld II.

Bereits mit Schreiben vom 07.08.2018 übermittelte die Beigeladene zu 1 den Leistungsantrag des Klägers wegen der Kosten des Wohnens an den Beklagten zur eigenverantwortlichen Bearbeitung im Rahmen von § 15 SGB IX (sog. Antragssplitting). Mit Schreiben vom 21.08.2018 teilte der Beklagte der Beigeladenen zu 1 mit, dass die Weiterleitung gemäß § 15 SGB IX vom 07.08.2018 fehl gehe. Es bestehe eine originäre Zuständigkeit der Beigeladenen zu 1 für die Kosten der Unterbringung im Rahmen von Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 117, 127 SGB III i.V.m. § 49 Abs. 7 Nr. 1 SGB IX. Die Beigeladene solle in eigener Zuständigkeit entscheiden.

Mit Schreiben vom 16.08.2018 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass er beabsichtige, zum 15.10.2018 in eine ambulant betreute Wohngemeinschaft in S. umzuziehen. Es werde hiermit die Kostenübernahme für diese Maßnahme (kalendertäglich 48,02 Euro) beantragt. Am 03.09.3018 begann die Berufsausbildung zum Gärtner. Mit Schreiben vom 12.09.2018 leitete der Beklagte das Schreiben des Klägers vom 16.08.2018 an die Beigeladene zu 1 weiter zur dortigen Bearbeitung in eigener Zuständigkeit. Zum 07.11.2018 zog der Kläger um in die ambulant betreute Wohngruppe.

Weil sich der Beklagte und die Beigeladene zu 1 in der Folge nicht über die Zuständigkeit für die Übernahme der Kosten der ambulanten Betreuung in der Wohngruppe einigen konnten, erhob der Kläger eine Untätigkeitsklage gegen die Beigeladene zu 1 und den Beklagten. Der Rechtsstreit gegen den Beklagten wurde hiervon abgetrennt und als das streitgegenständliche Klageverfahren fortgeführt. Die Bundesagentur für Arbeit wurde in dieser Klage gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beigeladen.

Im weiteren Verlauf erließ die Beigeladene zu 1 den Bescheid vom 09.12.2019. Sie sei für die Kosten der therapeutischen Wohngemeinschaft nicht zuständig. Es handle sich um eine pädagogische Maßnahme im Rahmen der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, nicht um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Der dagegen erhobene ...

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