Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlagebeschluss an das BVerfG. Bewertung von Kindererziehungszeiten. Zusammentreffen mit Beitragszeiten. Entgeltpunkte. Beitragsbemessungsgrenze. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Ist § 70 Abs 2 S 2 SGB 6 iVm Anl 2b SGB 6 idF des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1999 - RRG 1999) vom 16.12.1997 (BGBl I 1997, 2998) mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar?
2. Az beim BVerfG: 1 BvL 6/12.
Nachgehend
Tenor
1. Das Verfahren wird erneut ausgesetzt.
2. Der Rechtsstreit wird gemäß Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, um zu prüfen, ob § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI in der Fassung des Rentenreformgesetzes vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2998) gegen das Grundgesetz verstößt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Höhe des der Klägerin zustehenden Altersrentenanspruchs, konkret um die Bewertung von Kindererziehungszeiten bei gleichzeitigen Pflichtbeitrags-zeiten wegen abhängiger Beschäftigung.
Die im Februar 1938 geborene Klägerin bezieht auf ihren Antrag vom 26. November 2002 aufgrund Bescheides der Beklagten vom 9. Januar 2003 seit dem 1. März 2003 eine Re-gelaltersrente der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Rentenzahlbetrag betrug anfänglich 1.436,26 EUR (Monatsrente in Höhe von 1.592,22 EUR abzüglich Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung). Der Rentenberechnung hat die Beklagte 70,1420 persönliche Entgeltpunkte (Ost) zugrundegelegt.
Im Versicherungsverlauf der Klägerin hat die Beklagte für die Erziehung der beiden Söhne der Klägerin, J, geboren am 28. März 1970, und R, geboren am 09. Januar 1972, gemäß § 249 SGB VI die der Klägerin zugeordneten Kindererziehungszeiten im Sinne von § 56 SGB VI jeweils für die zwölf Monate nach Ablauf des Monats der Geburt berücksichtigt (April 1970 bis März 1971 und Februar 1972 bis Januar 1973).
Bei der Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte der Klägerin für die vorgenannten Kindererziehungszeiten hat die Beklagte berücksichtigt, dass die Klägerin zugleich versicherungspflichtige Entgelte aus abhängiger Beschäftigung als Ärztin (beitragspflichtige Entgelte und vom Versorgungsträger mitgeteilte Entgelte nach dem AAÜG) erzielt hat, welche bereits zu 1,3260 persönlichen Entgeltpunkten für den Zeitraum April 1970 bis März 1971 und zu 1,2627 persönlichen Entgeltpunkten für den Zeitraum Februar 1972 bis Januar 1973 führen.
Anstelle von weiteren 0,0833 persönlichen Entgeltpunkten für jeden Monat der Kindererziehungszeiten, die sich aus der Anwendung des ersten Teils von § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ergeben hätten, wurden die persönlichen Entgeltpunkte gemäß § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI i.V.m. den sich aus der Anlage 2b zum SGB VI ergebenden Höchstwerten (Jahres-Höchstwert für 1970: 1,6188; für 1971: 1,5270; für 1972: 1,5427 und für 1973: 1,5086) begrenzt.
Diese Begrenzung wirkte sich in den Zeiträumen Juni 1970 bis März 1971 und März 1972 bis Januar 1973 (mithin in 21 Monaten) der Art. aus, dass anstelle von möglichen 1,7493 persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehungszeiten lediglich 0,1847 persönliche Entgeltpunkte berücksichtigt wurden. In den Monaten Juli bis Dezember 1970 wurden effektiv keine persönlichen Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten berücksichtigt, da im Versicherungskonto bereits für Entgeltpunkte aus Pflichtbeiträgen aus abhängiger Beschäftigung der (monatliche) Höchstwert der Anlage 2b des SGB VI ausgeschöpft war. Für die Monate April und Mai 1970 sowie Februar 1972, für welche mangels Entgelt aus Beschäftigung keine Entgeltpunkte für andere Beitragszeiten gespeichert sind, wurden die Kindererziehungszeiten hingegen voll mit monatlich 0,0833 persönlichen Entgeltpunkten berücksichtigt.
Durch die Begrenzungsregelung sind der Klägerin im Ergebnis 1,5646 persönliche Entgeltpunkte "entgangen". Ihre Kindererziehungszeiten wurden im Ergebnis mit lediglich 0,4346 statt mit 1,9992 persönlichen Entgeltpunkten (Ost) berücksichtigt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entgeltpunkt-Ermittlung wird auf Blatt 29 Rückseite und 30 der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Mit ihrem am 3. Februar 2003 gegen den Rentenbescheid erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, die gewährte Rente entspreche ihrer Lebensleistung nicht hinreichend, zumal sie während ihrer beruflichen Tätigkeit als Ärztin auch noch zwei Kinder großgezogen habe. Sie rügt eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu einer kinderlosen Ärztin. Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 30. April 2003, welchen die Beklagte dahingehend begründete, dass bei der Rentenberechnung alle nachgewiesenen und unwidersprochenen rentenrechtlichen Zeiten entsprechend den gesetzlichen Vorschriften berücksichtigt worden seien, hat die Klägerin am 19. Mai 2003 die vorliegende Klage erhoben, mit welcher sie ihr Anliegen weiterverfolgt.
Nachfolgende Änderungsbescheide, die gemäß § 96 SGG Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden sind, berühren aufgrund Änderung des aktuellen R...