Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7 während einer stufenweisen medizinischen Wiedereingliederung. angestellte Lehrerin
Orientierungssatz
1. Eine angestellte Lehrerin, die während ihres Unterrichts im Rahmen einer stufenweisen medizinischen Wiedereingliederung verunglückt (hier: Treppensturz), steht dabei gem § 2 Abs 1 Nr 1 SGB 7 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
2. Die von dem beklagten Unfallversicherungsträger zur Begründung herangezogene Entscheidung des BSG vom 21.3.2007 (Az: B 11a AL 31/06 R = SozR 4-4300 § 118 Nr 1) berührt ausschließlich das leistungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis in der Arbeitslosenversicherung und erlaubt deshalb keine Rückschlüsse auf die Auslegung des § 2 SGB 7 und die Frage, ob eine Versicherung kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung vorliegt.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 11.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2017 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, das Ereignis vom 16.03.2017 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
3. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.
Die Klägerin ist als angestellte Lehrerin an den beruflichen Schulen „J A R“ in M beschäftigt. Nach einer längeren Erkrankung unterrichtete sie ab 20.02.2017 mit Einverständnis ihres Arbeitgebers im Rahmen eine stufenweise Wiedereingliederung stundenreduziert Am 16.03.2017 zog sich die Klägerin bei einem Sturz auf der Treppe in der Schule auf dem Weg zum Unterricht eine Impressionsfraktur des 3. und 4. BWK zu, die zu einem Abbruch der Wiedereingliederung führte. Nach Ende der hierauf beruhenden unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit nahm die Klägerin am 28.09.2017 ihre frühere Tätigkeit in vollem Umfang wieder auf.
Den Antrag der Klägerin auf Anerkennung des Ereignisses vom 16.03.2017 als Arbeitsunfall und die Gewährung von Entschädigungsleistungen hat die Beklagte mit Bescheid vom 11.05.2017 und Widerspruchsbescheid vom 29.06.2017 abgelehnt.
Zum Zeitpunkt des Sturzes sei die Klägerin keiner versicherten Tätigkeit iSv § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII (Sozialgesetzbuch 7. Buch) nachgegangen. Das Arbeitsverhältnis habe während der Zeit der Wiedereingliederung geruht, sodass ein Beschäftigungsverhältnis iSv § 2 Abs.1 Nr. 1 SGB VII nicht vorgelegen habe. Darüber hinaus bestehe auch kein sachlicher Zusammenhang zwischen dem Aufenthalt in der Schule während der stufenweise Wiedereingliederung und ihrer dem Grunde nach versicherten Tätigkeit als Lehrerin, da der Unterricht während der Wiedereingliederung nicht dazu bestimmt gewesen sei, dem Unternehmen (Schule) zu dienen, sondern darauf gerichtet gewesen sei, die volle Arbeitsfähigkeit wiederzuerlangen. Letzteres sei dem unversicherten privatnützigen (eigenwirtschaftlichen) Bereich der Klägerin zuzurechnen.
Mit ihrer Klage am 31.07.2017 eingegangenen Klage rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 2, 8 SGB VII.
Sie sei bis auf die reduzierte Stundenzahl als Lehrerin im regulären Schulbetrieb eingesetzt worden. Damit genieße sie als Beschäftigte den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Zumindest sei sie als Wie-Beschäftigte anzusehen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 11.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2017 aufzugeben und die Beklagte zu verpflichten, das Ereignis vom 16.03.2017 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig
Zum Ablauf der Wiedereingliederung und den Modalitäten der Beschäftigung hat das Gericht Auskünfte bei der J A R Europaschule in M eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Schule vom 04.06.2018 Bezug genommen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 11.05.2017 und 29.06.2017 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Zu Unrecht hat die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 16.03.2017 als Arbeitsunfall abgelehnt.
Die erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls ist gem. § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Denn der Verletzte kann seinen Anspruch auf Anerkennung, dass ein Ereignis ein Arbeitsunfall ist, nicht nur mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG geltend machen. Er kann vielmehr wählen, ob er stattdessen sein Begehren mit einer Kombination aus einer Anfechtungsklage gegen den das Nichtbestehen des von ihm geltend gemachten Versicherungsfalls feststellenden Verwaltungsakt und einer Verpflichtungsklage verfolgen will (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 1...