Die Vielzahl von verschiedenen Erkrankungen, Gesundheitsproblemen und Störungen erfordert sehr unterschiedliche Gestaltungsmaßnahmen in der BEM-Praxis. Patentrezepte für eine erfolgreiche Wiedereingliederung gibt es dafür nicht, jedoch vielversprechende Ansätze zur Gestaltung für häufige Erkrankungsgruppen.
Zur Beschreibung der nachfolgenden Gestaltungsansätze wurde das TOP-Prinzip zugrunde gelegt, als Einheit von technischen, organisatorischen und persönlichen/individuellen Maßnahmen.
4.1 Muskuloskelettale Erkrankungen
Erkrankungen des Bewegungsapparates haben weiterhin den größten Anteil am Arbeitsunfähigkeitsgeschehen, gemessen am Arbeitszeitausfall. Häufige Erkrankungen sind der vorzeitige Verschleiß von Gelenken (Arthrose) und Bandscheibenvorfälle.
Um Beschäftigten mit derartigen Erkrankungen einen Einsatz am bisherigen Arbeitsplatz zu ermöglichen, stehen technische Maßnahmen zur Reduktion der physischen Belastungen im Vordergrund:
- vibrationsgedämpfte Arbeitsmittel: Handmaschinen, Sitze in Transportmitteln,
- Hebehilfen (Scherenhubtische, Balancer mit Seilzug, Saug- und Vakuumheber),
- höhenverstellbare Schreib- und Arbeitstische sowie Stehhilfen,
- Bodenmatten, die dynamisches Stehen ermöglichen,
- geeignete Sitzmöbel.
Lassen sich durch technische Maßnahmen die Belastungen nicht im erforderlichen Maße reduzieren, müssen organisationale Interventionen ergriffen werden, um die Expositionsdauer zu reduzieren:
- zielgerichtete Maßnahmen zum Belastungswechsel, wie Job Rotation, Job Anreicherung und Job Erweiterung,
- Arbeitszeit- und Schichtplansysteme, die ausreichend Zeiträume zur Regeneration bieten.
Ergänzend zu den beiden vorgenannten Maßnahmen und zur Verringerung nicht weiter reduzierbarer Restbelastungen sind individuelle Präventions-, Rehabilitations- und Schutzmaßnahmen durch den Arbeitgeber zu unterstützen, die sowohl der Verhältnis- als auch der Verhaltensprävention zuzuordnen sind:
- Bereitstellung Persönlicher Schutzausrüstung, z. B. Sicherheitsschuhe bzw. Einlegesohlen, die dynamisches Stehen ermöglichen,
- individuell planbare Kurzpausen zur Erholung während des Arbeitsprozesses,
- individuelle Maßnahmen wie Ernährungsberatung, physiotherapeutische Behandlung sowie ergo- und physiotherapeutische Arbeitsplatzberatung.
4.2 Psychische Störungen
Der Anteil psychischer Störungen am Arbeitsunfähigkeitsgeschehen hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Diese Störungen sind insbesondere durch ein komplexes Bedingungsgefüge aus individuellen Voraussetzungen sowie betrieblichen und familiären Belastungsfaktoren und Ressourcen gekennzeichnet.
Voraussetzung für einen leistungsadäquaten Einsatz von Mitarbeitern mit psychischen Störungen ist eine gute Zusammenarbeit zwischen dem Betroffenem, dem Fallmanager und dem Arbeitsmediziner. Nur in enger Kooperation und bei intaktem Vertrauensverhältnis können geeignete Eingliederungsmaßnahmen gefunden werden.
Dies ist insbesondere wichtig, da psychische Störungen gegenüber physischen Erkrankungen noch immer durch eine tatsächliche oder von den Betroffenen empfundene Stigmatisierung oder Tabuisierung gekennzeichnet sind.
Im Einzelfall kann die Einbeziehung des behandelnden Facharztes oder des Therapeuten einen Eingliederungserfolg überhaupt erst möglich machen. Hier ist insbesondere ein gutes Vertrauensverhältnis zu den BEM-Akteuren und die Entbindung der Schweigepflicht des Facharztes/Therapeuten wesentliche Voraussetzung. Sind die Betroffenen bislang nicht in fachärztlicher bzw. therapeutischer Behandlung, ist im Einzelfall zu prüfen, ob der sozialpsychiatrische Dienst als Beratungsinstitution hinzugezogen werden kann. Darüber hinaus kann die Hinzuziehung der bereits genannten regionalen Berufstrainingszentren als Unterstützung geprüft werden.
Aufgrund der Vielfalt psychischer Störungen sind die Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz ebenfalls äußerst differenziert:
- zeitweise Verringerung der kognitiven Leistungsfähigkeit (Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis),
- Probleme in der Kommunikation mit Kollegen und Vorgesetzten und daraus resultierende Konflikte sowie Verringerung der Arbeitsleistung,
- Verhaltensveränderungen.
Auch bei psychischen Erkrankungen ist die Gestaltung der Arbeitsaufgabe und -organisation die erste Interventionsebene zur Verbesserung der Passung zwischen dem individuellen aktuellen Leistungsprofil des Betroffenen und den Arbeitsanforderungen:
- Anpassung der Aufgabenkomplexität an die aktuelle kognitive Leistungsfähigkeit,
- Einräumen von zeitlichen und inhaltlichen Gestaltungsspielräumen, um aktuelle kurzfristige Schwankungen im Leistungsvermögen kompensieren zu können,
- Veränderung der Arbeitsinhalte, um individuell besonders belastende Tätigkeiten zu vermeiden,
- klare, strukturierte Arbeitsaufträge zur Vermeidung von mehrdeutigen Situationen,
- Gewähren von Rückzugsmöglichkeiten bei Tätigkeiten mit häufigem Kundenkontakt,
- Vermeidung von Mehrfachtätigkeiten/parallelen Aufgaben und fremdbestimmten Arbeitsunterbrechungen.
Das Einbeziehen des sozialen Umfelds am Arbeitsplatz (Kollegen, Vorgesetzte) stellt eine bedeutende organisa...