0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde ursprünglich durch Art. 1 Nr. 72b des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz – GKV-VStG) v. 22.12.2011 (BGBl. I S. 2983) mit Wirkung zum 1.1.2012 aufgehoben.
Rz. 2
Das Gesetz für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG) v. 9.12.2019 (BGBl. I S. 2562) hat die Vorschrift mit Wirkung zum 19.12.2019 mit neuer Überschrift und neuem Inhalt erneut eingefügt. Krankenkassen können einen Anteil ihrer Finanzreserven zur Förderung digitaler Innovationen in Investmentfonds anlegen. Eine Vorgängervorschrift existiert nicht.
Rz. 2a
Art. 1 Nr. 17a des Gesetzes zur Beschleunigung de r Digitalisierung des Gesundheitswesens (Digital-Gesetz – DigiG) v. 22.3.2024 (BGBl. I Nr. 101) hat mit Wirkung zum 26.3.2024 Abs. 1 Satz 1 und 2 geändert. Die zulässige Anlagesumme wird angehoben (Satz 1) und ein Verweisfehler berichtigt (Satz 2).
1 Allgemeines
Rz. 3
Zur Verbesserung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Versorgung können Krankenkassen die Entwicklung digitaler Innovationen fördern (§ 68a). Unter digitalen Innovationen versteht das Gesetz insbesondere digitale Medizinprodukte, telemedizinische Verfahren oder IT-gestützte Verfahren in der Versorgung, definiert diese dann aber nicht näher. Darunter fallen z. B. Health Apps, digitale Gesundheitsanwendungen i. S. d. § 33a oder Verfahren zur Anwendung künstlicher Intelligenz (Baierl, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 263a Rz. 4). Hierdurch soll eine möglichst versorgungsnahe und bedarfsgerechte Entwicklung von Innovationen gewährleistet werden. Zur Erfüllung dieser Aufgabe ist es der Krankenkasse möglich, einen bestimmten Anteil ihrer Finanzreserven in Investmentvermögen nach § 1 Abs. 1 KAGB anzulegen.
2 Rechtspraxis
2.1 Investmentvermögen (Abs. 1)
Rz. 4
Krankenkassen können nach § 68a die Entwicklung digitaler Innovationen fördern. Zur Förderung der Entwicklung digitaler Innovationen können dafür insgesamt bis zu 10 % der Finanzreserven (§ 260 Abs. 2 Satz 1) in Anteile an Investmentvermögen nach § 1 Abs. 1 KAGB angelegt werden (Satz 1). Der Anlageraum für den Erwerb von Anteilen an Investmentvermögen bestimmt sich nach den Vorgaben des § 83 Abs. 2 Satz 1 und 2 und Abs. 4 Satz 1 SGB IV (Satz 2). Die Anlagemöglichkeiten sind daher auf die Europäische Union bzw. den Europäischen Wirtschaftsraum und die Schweiz begrenzt. Die Anlage der Mittel soll zudem grundsätzlich in der im Inland geltenden Währung erfolgen. Dabei stehen den Staaten der Europäischen Union die Staaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und die Schweiz gleich.
Rz. 5
Für den Erwerb von Anteilen an Investmentvermögen kommen insbesondere auf Gesundheitstechnologien spezialisierte Fonds in Betracht, die eine zunehmend wichtige Rolle bei der Förderung der Entwicklung digitaler Innovationen für die Gesundheitsversorgung spielen (BT-Drs. 19/13438 S. 64). Sie verfügen in der Regel über einen breiten und kontinuierlichen Überblick über das nationale und internationale Marktumfeld sowie über die erforderliche Expertise, um potenziell erfolgversprechende Innovationen für die Gesundheitsversorgung zu identifizieren und bei ihrer weiteren Entwicklung gezielt zu fördern. Durch den Erwerb von Anteilen an einem Wagniskapitalfonds in Kombination mit einer fachlich-inhaltlichen Kooperation erhalten Krankenkassen so die Möglichkeit, das Marktumfeld besser kennenzulernen, das auf die Förderung und Entwicklung innovativer Ansätze im Gesundheitswesen abzielt, und diese Ansätze für das deutsche Gesundheitssystem nutzbar zu machen. Gleichzeitig kann die Teilnahme der Krankenkassen an diesen Prozessen dazu beitragen, die Versorgungsnähe und damit die Versorgungsrelevanz von Innovationen für das deutsche Gesundheitswesen zu schärfen.
Rz. 5a
Die Krankenkassen haben von der mit dem Digitale-Versorgung-Gesetz in das SGB V eingefügten Befugnis zur Anlage von Rücklagen in Wagniskapitalanlagen in verantwortlicher Art und Weise Gebrauch gemacht (BT-Drs. 20/9788 S. 179). Durch die variierende Höhe der Rücklagen können bei der Festlegung des bis zum 25.3.2024 geltenden Satzes von 2 % im Einzelfall Unsicherheiten entstehen, denen durch die Anhebung der zulässigen Anlagesumme auf 10 % der Finanzreserven im Interesse der Krankenkassen begegnet wird.
2.2 Kapitalbindung (Abs. 2)
Rz. 6
Die Mittel sind so anzulegen, dass
- die Kapitalbindungsdauer 10 Jahre nicht überschreitet,
- ein Verlust ausgeschlossen erscheint und
- in angemessener Ertrag erzielt wird
(Satz 1). Die Regelung modifiziert als lex specialis die Anforderungen nach den allgemeinen Vermögensvorschriften nach § 80 Abs. 1 SGB IV. Durch die Kapitalbindungsdauer von höchstens 10 Jahren und die Begrenzung des maximal zulässigen Investitionsvolumens wird die erforderliche Balance zwischen einem verhältnismäßig geringen Anlagebetrag und einem mit dieser Anlageform einhergehenden längeren Anlagehorizont sichergestellt. Zudem sollen die Krankenkassen durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass sowohl ein...