Rz. 37

Wie bereits unter Rz. 2 aufgeführt, genießt die werdende bzw. junge Mutter einen besonderen Schutz des Staates. Nach dem Urteil des BSG v. 28.2.2008 (B 1 KR 17/07) gilt als leistungsauslösender Tatbestand auch der Beginn des Arbeitsverhältnisses während der Schutzfristen i. S.d. § 3 MuSchG. Voraussetzung für den Anspruch auf Mutterschaftsgeld ist, dass gleichzeitig neben dem Arbeitsverhältnis eine Mitgliedschaft (wegen des Arbeitsverhältnisses oder aus anderem Grund) besteht (GR v. 06.12.2017-II i.d.F. v. 23.03.2022, Abschn. 9.2.2.5). Es steht jedenfalls nicht in Einklang mit dem europäischen Antidiskriminierungsrecht, den Eintritt in ein Beschäftigungsverhältnis bei Frauen mit Schwangerschaft und Mutterschaft zu verneinen, wenn diese Frauen am Tag der vorgesehenen Arbeitsaufnahme an der Verrichtung einer entgeltlichen Arbeit allein durch ein Beschäftigungsverbot nach dem MuSchG gehindert sind (BSG, Urteil v. 28.2.2008, a. a. O.). Unbedeutend ist, dass die Mitgliedschaft erst während der nach der Entbindung laufenden Schutzfrist beginnt (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 25.4.2001, L 4 KR 68/99, sowie Bay. LSG, Urteil v.15.11.2001, L 4 KR 51/99).

Klärungsbedürftig ist die Frage, wie eine krankenversicherungspflichtige Beschäftigung trotz eines Beschäftigungsverbotes aufgrund einer Schutzfrist während der Schutzfrist beginnen kann. Hierzu folgender rechtlicher Hintergrund:

Seit dem 1.1.1998 ist nicht mehr die tatsächliche Arbeitsaufnahme Voraussetzung für das Zustandekommen der Mitgliedschaft einer versicherungspflichtig beschäftigten Frau, sondern der Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis bzw. die grundsätzliche Entgeltzahlung aus einem Beschäftigungsverhältnis. Soweit der Arbeitsvertrag an einem arbeitsfreien Tag beginnt, ist dieser Beginn dann auch für den Beginn der Mitgliedschaft entscheidend, wenn für diesen Tag schon Arbeitsentgelt gezahlt wird (vgl. § 186 Abs. 1). Ist also der Beginn des Arbeitsverhältnisses an einem arbeitsfreien Tag (z. B. 1.1.) geplant, ist für den Beginn der Versicherungspflicht an diesem Tag darauf abzustellen, ob für diesen Tag ein Entgeltanspruch besteht. Bei Arbeitnehmern mit einem festen Monatsentgelt beginnt die Versicherungspflicht mit dem arbeitsfreien Tag. Richtet sich die Vergütung dagegen nach tatsächlichen Arbeitsstunden, beginnt die Versicherungspflicht und damit die Mitgliedschaft am nächstfolgenden, entgeltlichen Arbeitstag.

Wenn also eine Frau zu dem vorgesehenen Beschäftigungsbeginn wegen der inzwischen begonnenen Schutzfrist (= Beschäftigungsverbot) nicht die Arbeit aufnimmt, kann ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld entstehen, wenn – ohne Berücksichtigung des Beschäftigungsverbotes "Schutzfrist" –

  • an dem Tag grundsätzlich Arbeitsentgelt gezahlt worden und dadurch eine Mitgliedschaft entstanden wäre (BSG, Urteil v. 28.2.2008, B 1 KR 17/07 R; vgl. auch TOP 2 der Niederschrift der Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene und des GKV-Spitzenverbandes zum Leistungsrecht am 17./18.6.2009, Abschn. 9.2.2.5 des GR v. 06.12.2017-II i.d.F. v. 23.03.2022) oder
  • aus anderen Gründen bereits eine Mitgliedschaft besteht (z. B. als Hinterbliebenenrentnerin, Studentin).
 
Praxis-Beispiel

Beginn eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses (Ausbildung nach dem BBiG) am 1.8. aufgrund eines am 3.1. geschlossenen Arbeitsvertrages.

Aufgrund einer Schwangerschaft der Auszubildenden wird vom Arzt als voraussichtlicher Entbindungstermin der 4.9. bescheinigt. Die Schutzfrist i. S. d. § 3 MuSchG beginnt fiktiv am 24.7. (6 Wochen vor dem 4.9.).

Lösung:

Am 1.8. besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf Arbeitsentgelt (Monatsgehalt), weswegen zugleich ab 1.8. ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet wird.

Gemäß § 186 Abs. 1 beginnt die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter mit dem Tag des Eintritts in das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis – also am 1.8. Somit entsteht der Anspruch auf Mutterschaftsgeld ab dem 1.8., da die Auszubildende an diesem Tag zugleich Mitglied einer Krankenkasse wird und in einem Arbeitsverhältnis steht.

Anmerkung:

Das Mutterschaftsgeld ist erst ab 1.8. zu zahlen. Die "fehlende" Zeit vom 24.7. bis 31.7. verlängert nicht den Anspruch auf Mutterschaftsgeld für die Zeit nach Ende der 8- bzw. 12-wöchigen Schutzfrist i. S. d. § 3 MuSchG (weil keine frühzeitige Entbindung i. S. d. § 24i Abs. 3 Satz 2 vorliegt).

Begründet das Beschäftigungsverhältnis (außerhalb von Ausbildungsverhältnissen) wegen z. B. entgeltlicher Geringfügigkeit (§ 8 SGB IV) keine Versicherungspflicht und damit keine Mitgliedschaft und besteht für die Frau auch aus anderen Gründen keine Mitgliedschaft, kommt ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 24i nicht zustande. In diesen Fällen ist aber das Bundesamt für Soziale Sicherung nach § 19 Abs. 2 MuSchG verpflichtet, ab Eintritt in das Arbeitsverhältnis Mutterschaftsgeld zu zahlen.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge