2.8.1 Überblick
Rz. 137
Das Mutterschaftsgeld (und auch der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 20 MuSchG) wird für 6 Wochen vor der Entbindung, für den Entbindungstag und für 8 Wochen nach der Entbindung gezahlt (§ 24i Abs. 3 Satz 1). Der Anspruchszeitraum nach der Entbindung verlängert sich von 8 auf 12 Wochen, wenn
- eine Zwillings- oder sonstige Mehrlingsgeburt erfolgte oder
- eine Frühgeburt eintrat oder
- die Frau der Krankenkasse vor Ablauf von 8 Wochen nach der Entbindung eine ärztliche Bescheinigung einreicht, dass das Kind i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX behindert ist
(§ 24i Abs. 3 Satz 2). Eine Frau erhält somit grundsätzlich für (42 + 1 + 56 =) 99 Tage und bei Früh- oder Mehrlingsgeburten bzw. bei rechtzeitigem Nachweis einer Behinderung des Kindes für (42 + 1 + 84 =) 127 Tage Mutterschaftsgeld.
Bei früher oder später als erwartet eintretenden Entbindungen kann es zu Abweichungen hinsichtlich der Anzahl der Bezugstage kommen: Einzelheiten hierzu vgl. Rz. 138 ff. und 143 sowie 144 und Rz. 153 ff.
Rz. 137a
Eine vertrauliche Geburt – also eine Geburt, bei der im Rahmen des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG) der Name der Mutter nur der Beratungsstelle nach §§ 3 und 8 SchKG bekannt wird – löst keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld aus, da der Krankenkasse die Identität der Mutter nicht bekannt wird und somit auch die Voraussetzungen für die Erfüllung eines Anspruchs auf Mutterschaftsgeld nicht geprüft werden können. Sofern sich allerdings die Mutter während des Verfahrens der vertraulichen Geburt dazu entschließt, die Geburt nicht mehr vertraulich durchzuführen oder ihr Kind nach der Geburt anzunehmen, muss sie ihre Beratungsstelle hierüber informieren. Diese sorgt dafür, dass die notwendigen Daten weitergegeben werden können, sodass die Krankenkasse nachträglich den Anspruch auf Mutterschaftsgeld prüfen und Mutterschaftsgeld zahlen kann. Der Anspruch auf das Mutterschaftsgeld verjährt erst nach 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, für das Mutterschaftsgeld zu zahlen war (§ 45 SGB I).
2.8.2 Zahlung für den Zeitraum vor der Entbindung
Rz. 138
Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld beginnt grundsätzlich 6 Wochen vor dem Tag der Entbindung; der Entbindungstag wird als Ereignistag (§ 26 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB) nicht in die Frist eingerechnet.
Der Beginn der 6 Wochen für den Anspruch auf Mutterschaftsgeld berechnet sich für die Zeit vor der Entbindung grundsätzlich von dem Tag der tatsächlichen Entbindung aus; wenn allerdings
- die Frau der Krankenkasse eine Bescheinigung eines Arztes über einen voraussichtlichen Entbindungstag vorlegt – dieses kann auch erst nach der Geburt geschehen (vgl. Rz. 141) –, wird für die Berechnung der in dieser Bescheinigung aufgeführte voraussichtliche Entbindungstag herangezogen (§ 24i Abs. 3 Satz 4; vgl. GR v. 06.12.2017-II i.d.F. v. 23.03.2022, Abschn. 9.4.1 Abs. 2; vgl. Niederschrift der Fachkonferenz Leistungs- und Beziehungsrecht des GKV-Spitzenverbandes am 20./21.3.2013, TOP 5). Hierzu weiter Rz. 139 ff.
- die Frau keine entsprechende Bescheinigung über einen voraussichtlichen Entbindungstag vorweisen kann und – ggf. auch rückwirkend betrachtet – in den letzten 42 Tagen vor der tatsächlichen Entbindung noch Urlaub hatte oder Arbeitsentgelt, Arbeitslosengeld, Entgeltfortzahlung oder Krankengeld bezogen hat, verschiebt sich der Beginn des Anspruchs auf Mutterschaftsgeld unter bestimmten Voraussetzungen. Einzelheiten hierzu in der Komm. zu Rz. 153 ff.
Rz. 139
Der Arbeitgeber und die Krankenkasse haben nicht nur Bescheinigungen über den mutmaßlichen Entbindungstag anzuerkennen, die vom Arzt ausgestellt wurden, sondern auch die von Hebammen/Entbindungspflegern (vgl. auch GR v. 06.12.2017-II i.d.F. v. 23.03.2022, Abschn. 9.4.1). Die Berechtigung der Hebamme bzw. des Entbindungspflegers zur Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung über den mutmaßlichen Entbindungstag ergibt sich aus § 15 Abs. 2 MuSchG. Ob diese Bescheinigung bei der Krankenkasse vor oder erst nach der Entbindung eingereicht wird, ist unbedeutend; entscheidend ist aber, dass die Bescheinigung über den voraussichtlichen Niederkunftstermin vom Arzt oder der Hebamme bzw. dem Entbindungspfleger vor der Entbindung ausgestellt wurde.
Ob die Bescheinigung von einem Vertragsarzt der Krankenkasse oder von einem sonstigen Arzt (z. B. Privatarzt) ausgestellt wird und ob die Frau während ihrer Schwangerschaft den Arzt wechselte, ist unbedeutend.
Die Bescheinigung ist nicht an eine bestimmte Form gebunden. Ein formloses Schreiben, auf dem der Arzt bzw. die Hebamme/der Entbindungspfleger den mutmaßlichen Entbindungstag mit Unterschrift und dem Datum der Feststellung bescheinigt, reicht aus. Allerdings ist es notwendig, dass der Arzt bzw. die Hebamme oder der Entbindungspfleger vorher aufgrund einer ärztlichen Untersuchung das Bestehen einer Schwangerschaft festgestellt hat.
In der Praxis wird zur Bescheinigung des voraussichtlichen Entbindungstages seit dem 1.1.2014 meist der Vordruck Muster 3 "Zeugnis über den mutmaßlichen Tag der Entbindung" verwandt. Dieser Vordruck basie...