Rz. 159

Gemäß dem GR v. 06.12.2017-II i.d.F. v. 23.03.2022, Abschn. 9.4.3.1 Abs. 6, verschiebt sich der Beginn der Mutterschaftsgeldzahlung auch bei Bezieherinnen von Arbeitslosengeld i. S. d. SGB III. Voraussetzung hierfür ist, dass die Frau "unverschuldet" über den Beginn der 6. Woche vor der Entbindung hinaus eine SGB III-Leistung bezog (z. B. bei einer Entbindung im 7. Schwangerschaftsmonat).

Eine schuldhafte Unterlassung der Meldung über den voraussichtlichen Entbindungstag vor dem Hintergrund, möglichst lange die SGB III-Leistung zu beziehen, um dadurch den Beginn der Mutterschaftsgeldzahlung hinauszuzögern, entspricht nicht dem Grundgedanken der unter Rz. 153 ff. aufgeführten EG-Mutterschutzrichtlinie. In diesen Fällen ruht der Anspruch auf die SGB III-Leistung mit der Folge, dass die Agentur für Arbeit ggf.

 
Praxis-Beispiel

Eine Arbeitslosengeldempfängerin sollte laut Mutterpass voraussichtlich am 11.11. entbinden.

Die Entbindung erfolgt jedoch wegen gesundheitlicher Komplikationen vorzeitig bereits am 11.9. (Frühgeburt, weil das Kind nur 1.200 Gramm wiegt).

Arbeitslosengeld wurde aufgrund des monatlichen Auszahlmodus zuletzt bis zum 31.8. gezahlt.

Die Frau hat der Krankenkasse

  1. nachträglich eine Bescheinigung nach § 24i Abs. 3 Satz 3 über den voraussichtlichen Entbindungstag (11.11.) vorgelegt.
  2. keine Bescheinigung über den voraussichtlichen Entbindungstag i. S. d. § 24i Abs. 3 Satz 3 beigebracht.

Lösung:

zu a)

Ausgehend vom voraussichtlichen Entbindungstag aus (11.11.) besteht ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld ab 30.9. (= 42 Tage vor dem 11.11.). Da die tatsächliche Entbindung bereits am 11.9. erfolgt, kann die Frau die 42 Tage, die als Phase der besonderen Schutzbedürftigkeit für die Zeit vor der Entbindung liegt, nicht ausschöpfen. Diese "nicht ausgeschöpften Tage" – hier die vollen 42 Tage – sind gemäß § 24i Abs. 3 Satz 3 an den am Tag der tatsächlichen Entbindung beginnenden Mutterschaftsgeldbezug anzuhängen. Mutterschaftsgeld ist deshalb zu zahlen für den 11.9. (Tag der Entbindung) und für weitere 84 und 42 Tage – also bis 15.1. des Folgejahres – und zwar

  • für den Entbindungstag (11.9.) und
  • für weitere 84 Tage nach der Entbindung (Frühgeburt) – also für die Zeit vom 12.9. bis 4.12. – sowie außerdem noch
  • für weitere 42 Tage – also vom 5.12. bis 15.1. des Folgejahres.

Anmerkung: Art. 8 Abs. 1 der EG-Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG braucht in diesem Fall nicht angewendet zu werden, da wegen der vorgelegten Bescheinigung über den voraussichtlichen Entbindungstag § 24i Abs. 3 Satz 3 den Zahlungszeitraum vorgibt.

zu b)

Da keine Bescheinigung über den voraussichtlichen Entbindungstag i. S. d. § 24i Abs. 3 Satz 4 vorgelegt wird, besteht – ausgehend vom tatsächlichen Entbindungstag aus – ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld für die letzten 42 Tage vor dem 11.9. – also ab 31.7. (vgl. § 24i Abs. 3 Satz 1).

Allerdings wurde bis 31.8. Arbeitslosengeld gezahlt, da die ursprüngliche Phase der besonderen Schutzbedürftigkeit erst später einsetzen sollte. Hier greift jetzt Art. 8 Abs. 1 der EG-Mutterschutzrichtlinie 92/85/EWG und bestimmt, dass die Zahlung von Mutterschaftsgeld erst nach dem letzten Tag der Zahlung von Arbeitslosengeld beginnen kann – dann aber für die volle gesetzliche Dauer von 127 Tage (Frühgeburt).

Mutterschaftsgeld ist deshalb zu zahlen vom 1.9. bis zum 5.1. des Folgejahres – und zwar

  • für die Zeit vom 1.9. bis 10.9. (= 10 Tage),
  • für den Entbindungstag (11.9.) und
  • für weitere 84 Tage nach der Entbindung (Frühgeburt) – also für die Zeit vom 12.9. bis 4.12. – sowie außerdem noch
  • für weitere (42 minus 10 =) 32 Tage – also vom 5.12. bis 5.1. des Folgejahres.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge