Rz. 24
Nach Abs. 2 Satz 6 hat die Krankenkasse vor der Entscheidung über den Anspruch auf außerklinische Intensivpflege im Rahmen des der Entscheidung vorausgehenden Verwaltungsverfahrens Feststellungen zu treffen, die später dann die Grundlage der abschließenden Entscheidung bilden. Festzustellen ist vorab, ob die Voraussetzungen nach Abs. 1
- besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege,
- Erforderlichkeit zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung,
- Verordnung durch besonders qualifizierte Vertragsärzte sowie
- Erhebung und Dokumentation des Potenzials zur Beatmungsentwöhnung
und die nach Abs. 2 Satz 1 bis 3
- geeigneter Leistungsort,
- berechtigter Wunsch und
- Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Versorgung am Leistungsort
erfüllt sind. Der Medizinische Dienst ist mit der persönlichen Begutachtung zu beauftragen (§ 275 Abs. 2), was schon aufgrund der komplexen Bedarfe und der Berücksichtigung des Leistungsortes geboten ist. Eine Entscheidung nach Aktenlage ist ausgeschlossen. Der Medizinische Dienst hat insbesondere zu prüfen, ob die medizinische und pflegerische Versorgung am gewünschten Ort tatsächlich und dauerhaft sichergestellt werden kann (BT-Drs. 19/19368 S. 28).
Rz. 25
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers können anstelle einer sozialmedizinischen Begutachtung in bestimmten Fallkonstellationen zeitlich getrennte Begutachtungen erfolgen. Dies soll in für die Medizinischen Dienste verbindlichen Begutachtungsanleitungen oder in Richtlinien zur Sicherstellung einer einheitlichen Begutachtung (§ 283 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2) geregelt werden (BT-Drs. 19/20720 S. 55). Die Krankenkasse ist gemäß § 275 Abs. 3c verpflichtet, einem Versicherten das Ergebnis der gutachterlichen Stellungnahme und die wesentlichen Gründe in verständlicher und nachvollziehbarer Form mitzuteilen, wenn sie einen Leistungsantrag auf der Grundlage der gutachtlichen Stellungnahme des Medizinischen Dienstes ablehnt.
Rz. 26
Nach Abs. 2 Satz 7 hat die Krankenkasse ihre Feststellungen jährlich zu überprüfen und auch hierfür eine persönliche Begutachtung durch den Medizinischen Dienstes zu veranlassen. Damit soll gewährleistet werden, dass die erforderliche medizinische und pflegerische Versorgung am jeweiligen Leistungsort auch hinsichtlich der Einhaltung der in Abs. 1 genannten Anforderungen tatsächlich und dauerhaft bzw. durch geeignete Nachbesserungen in angemessener Zeit sichergestellt werden kann. Die Jahresfrist kann unterschritten werden, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass die Voraussetzungen der Feststellungen nicht mehr vorliegen (Abs. 2 Satz 8).
Rz. 27
Anhaltspunkte können sich z. B. ergeben aus den regelmäßigen Qualitäts- und Abrechnungsprüfungen bei Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 275b, die sich stets auf den Leistungserbringer beziehen. Diese Prüfungen finden unangemeldet als Regelprüfungen oder als von den Krankenkassen und ihren Verbänden initiierten Anlassprüfungen statt. Dabei erfolgt auch eine Inaugenscheinnahme einer Stichprobe von Versicherten, die durch den zu prüfenden Pflegedienst oder die zu prüfende Pflegeeinrichtungen versorgt werden. Treten Anhaltspunkte zutage, dass bei dem Leistungserbringer oder an den Orten, an denen die Intensivpflege erbracht wird, infektionshygienisch relevante Mängel vorliegen, informiert der Medizinische Dienst das zuständige Gesundheitsamt entsprechend §§ 23 Abs. 6 und 6a, 15a IfSG (BT-Drs. 19/19368 S. 29).
Rz. 28
Aus Abs. 2 Satz 9 folgt, dass unabhängig vom Leistungsort hinsichtlich der vom Medizinischen Dienst durchgeführten persönlichen Begutachtung immer das Einverständnis der betroffenen Personen vorliegen muss, wenn die Begutachtung in Räumen stattfindet, die einem Wohnrecht unterliegen. Dabei kann es sich um die Versicherte/den Versicherten oder aber auch diejenige Person handeln, die ansonsten an den Wohnräumen berechtigt ist. Erfolgt diese Einwilligung nicht, so kann in den Fällen, in denen Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach Satz 1 Nr. 3 oder Nr. 4 erbracht oder gewünscht werden, die Leistung nicht vollständig, sondern nur an diesem Ort versagt und der oder die Versicherte auf Leistungen an einem Ort nach Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 verwiesen werden. Der Gesetzgeber geht insoweit bei Versorgung in einer stationären Einrichtung davon aus, dass an diesen Orten nach den sonstigen Vorschriften zur Qualitätssicherung und des Heimrechts ein Mindestmaß an Güte der medizinischen und pflegerischen vorausgesetzt werden kann. Kommt eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst aufgrund einer Weigerung der/des Versicherten, die sich nicht auf den Ort der Begutachtung bezieht, nicht zustande, so gelten die Regelungen zu den Grenzen der Mitwirkung sowie zu den Folgen fehlender Mitwirkung nach §§ 62, 65, 66 und 67 SGB I (BT-Drs. 19/19368 S. 29).