Rz. 42
Mit dem Ausschluss hauptberuflich selbstständig erwerbstätiger Ehegatten, Lebenspartner oder Kinder von der Familienversicherung wird an die Rechtsprechung des BSG zur Familienkrankenhilfe angeknüpft (vgl. BSG, Urteil v. 29.1.1980, 3 RK 38/79), die in diesen Fällen bereits die Familienkrankenhilfe als ausgeschlossen angesehen hatte, weil Selbstständige nicht zu dem geschützten Personenkreis der gesetzlichen Krankenversicherung gehören.
Rz. 43
Der Begriff der hauptberuflich selbstständigen Tätigkeit ist im Zusammenhang mit § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 (vgl. BT-Drs. 11/2237 S. 161) dahingehend zu verstehen, dass der Ausschluss von der Familienversicherung für bestimmte Angehörige (Versicherungsfreie und Selbstständige) ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens erfolgen solle. Da das Merkmal von § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 eigenständig neben der Einkommensgrenze des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 steht, kann es nicht auf die Höhe des Gesamteinkommens, sondern allein auf die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit ankommen, unabhängig davon, ob aus der selbstständigen Tätigkeit überhaupt ein Gewinn in Sinne des Steuerrechts erzielt wird (so schon BSG, Urteil v. 29.1.1980, 3 RK 38/79). Ob man das Merkmal der Hauptberuflichkeit anhand einer bestimmten Stundenzahl bestimmen kann, erscheint zum Teil problematisch. Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Frage der Hauptberuflichkeit eine Gewichtung nicht allein nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Tätigkeit, sondern vor allem nach ihrem zeitlichen Umfang vorzunehmen. Das Merkmal "hauptberuflich" kann in Abgrenzung zu § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 regelmäßig nur eine bestimmte Qualität der Tätigkeit und/oder deren Umfang betreffen (so auch BSG, Urteil v. 29.2.2012, B 12 KR 4/10 R).
Rz. 44
Eine nicht hauptberuflich selbstständige Tätigkeit wird man wohl nur dann annehmen können, wenn letztlich nicht der auf Dauer gerichtete Gelderwerb Ziel und Motiv der Tätigkeit ist, sondern Freizeitgestaltung, Kontaktpflege und Geselligkeit (z. B. die Veranstaltung von Verkaufspartys in Verwandten-/Bekanntenkreis, der Verkauf selbstgefertigter Produkte eines Hobbys etc.). Dabei dürfte es dann auch nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Finanzverwaltung die Tätigkeit bereits als Liebhaberei beurteilt hat oder eine einkommensteuerpflichtige Erwerbstätigkeit annimmt. Jedoch geht das LSG Baden-Württemberg davon aus, dass der zeitliche Umfang auch dann maßgeblich bleibt, wenn zwar eine hauptberufliche selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, aus dieser jedoch zeitweise gar keine oder nur geringe Einkünfte erzielt werden (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 25.2.2022, L 4 KR 3424/20).
Rz. 45
Durch Art. 4 Nr. 1 ASRG v. 29.7.1994 wurde mit Wirkung ab 1.1.1995 § 10 Abs. 1 Satz 2 eingefügt. Danach ist eine selbstständige Tätigkeit nicht schon deshalb anzunehmen, weil Rentenversicherungspflicht nach § 1 Abs. 3 ALG besteht. Damit soll verhindert werden, dass die unterstellte Mitunternehmerschaft des Ehegatten oder des Lebenspartners des Landwirtes für die landwirtschaftliche Rentenversicherungspflicht zum Anlass genommen wird, eine selbstständige Tätigkeit zu unterstellen. Im Güterstand der Gütergemeinschaft lebende Landwirtsehegatten/-lebenspartner sind allerdings als Mitunternehmer anzusehen (vgl. BFH, Urteil v. 18.8.2005, IV R 37/04). Die Regelung schließt jedoch die Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit nicht aus; insbesondere nicht eine solche außerhalb der Landwirtschaft.
Rz. 46
Soweit eine selbstständige Tätigkeit als Landwirt ausgeübt wird, führt dies im Regelfall zur Krankenversicherungspflicht nach dem KVLG 1989 bei einer landwirtschaftlichen Krankenkasse. Nach den besonderen Bestimmungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 KVLG 1989 ist dabei die Familienversicherung für den mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner des Landwirts nicht ausgeschlossen. Bei Ehegatten oder Lebenspartnern, die gemeinsam ein landwirtschaftliches Unternehmen betreiben, besteht dabei gemäß § 2 Abs. 3 KVLG 1989 Krankenversicherungspflicht nur für den überwiegend den Betrieb leitenden Ehegatten oder Lebenspartner, so dass dadurch auch eine beitragsfreie Familienversicherung sichergestellt ist.
Rz. 46a
Besonders schwierig gestaltet sich zum Teil auch die Frage der Hauptberuflichkeit bei der Tätigkeit als Mit- oder Alleingesellschafter bzw. als (alleiniger) Geschäftsführer eines (Familien)betriebes. Allein die Bestellung/Anstellung genügt jedenfalls noch nicht, um eine Hauptberuflichkeit begründen zu können, vielmehr ist auch hier auf die konkrete Art und den tatsächlichen Umfang der Tätigkeit abzustellen (vgl. BSG, Urteil v. 4.6.2009, B 12 KR 3/08 R).
In einer weiteren Entscheidung hat das BSG überdies auch die Beschäftigung von Arbeitnehmern durch einen Alleingesellschafter nicht genügen lassen, um eine Hauptberuflichkeit zu begründen (vgl. BSG, Urteil v. 29.2.2012, B 12 KR 4/10 R). Diese Entscheidung wirkt zunächst fragwürdig, da so auch ein Arbeitgeber in den Genuss der beitragsfreien Familienversicherung kommen ka...