Rz. 13
Die Krankenkassen, die Landesverbände und der Spitzenverband Bund, nicht also die dort eingerichteten Prüfstellen selbst, sollen nach der ausdrücklichen Regelung des Abs. 4 die Staatsanwaltschaft beim Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung unterrichten. Die Unterrichtung soll unverzüglich erfolgen. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1525 S. 99) soll bei Nichteinschaltung der Staatsanwaltschaft ein Fall der Strafvereitelung (§ 258 StGB) in Betracht kommen. Diese Unterrichtungspflicht stellt letztlich keine Neuerung dar. Schon bisher haben Krankenkassen und deren Verbände, wenn der Verdacht einer strafbaren Handlung zu ihren Lasten bestand, die Staatsanwaltschaften eingeschaltet, sei es durch eine Strafanzeige oder erforderlichenfalls auch durch ausdrücklichen Strafantrag. Die Einschaltung der Staatsanwaltschaft ist insbesondere auch deshalb erforderlich, da die Krankenkassen selbst und auch die Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten nicht für die Strafverfolgung zuständig sind und das ihnen zur Verfügung stehende Verfahrensrecht des SGB X nicht zur Ermittlung strafrechtlich relevanten Verhaltens ausgelegt ist. Das Handeln der Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten kann, auch nicht als vermeintliches Vorschaltverfahren vor einer Abgabe an die Staatsanwaltschaft, als Sozialverwaltungsverfahren nach § 8 SGB X verstanden werden, in dem dem Verdächtigten die Rechte als Betroffener nach § 12 Abs. 1, § 24 SGB X einzuräumen wären. Insbesondere stellt weder die Entscheidung über die Weitergabe der bisherigen Erkenntnisse an die Staatsanwaltschaft bei einem strafrechtlich relevanten Verdacht, noch die Weitergabe selbst einen Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X dar, denn es liegt keine hoheitliche Regelung des Sozialversicherungsträgers gegenüber dem Verdächtigten vor (so aber Rixen, ZFSH/SGB 2005 S. 131, 134 f.; dem folgend Hänlein, in: Hänlein/Schuler, LPK-SGB V, 5. Aufl., § 197 a Rz. 7).
Rz. 13a
Neben der Mitteilung des Anfangsverdachts einer Straftat an die Staatsanwaltschaft bleibt es der Verwaltungsbehörde unbenommen, die nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften möglichen Erstattungsforderungen (Leistungsrückforderung, Regress, Honorarberichtigung etc.) geltend zu machen, wobei dafür dann die entsprechenden materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften des SGB zu beachten sind. Die Vorschrift ist jedoch keine Grundlage dafür, eine echte oder vermeintliche Rückforderung durch die Vereinbarung einer Nichtanzeige durchzusetzen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 24.11.2010, L 1 KR 72/09).
Rz. 14
Eine solche Einschaltung der Staatsanwaltschaft setzte und setzt selbstverständlich einen hinreichenden Anfangsverdacht auf eine strafbare Handlung voraus. Wie die Tat strafrechtlich einzuordnen ist (Betrug, Untreue, Vorteilsnahme, Bestechung etc.), ist ggf. von weiteren Ermittlungen abhängig und fällt in den Zuständigkeitsbereich der Staatsanwaltschaft und letztendlich der Gerichte. Die Begrenzung der Unterrichtungspflicht auf Tatbestände von "nicht nur geringfügiger Bedeutung für die gesetzliche Krankenversicherung" erscheint überflüssig. Bei einem Anfangsverdacht lässt sich in aller Regel von einer Krankenkasse oder einem Verband nicht abschätzen, ob und welche wirtschaftliche Bedeutung sich daraus für die GKV insgesamt ergibt. Auch bei einzelnen und für sich betrachtet wirtschaftlich "geringfügigen" Straftaten kann sich infolge der Ermittlungen ergeben, dass Häufigkeit und Anzahl der Taten zu erheblichen finanziellen Folgen in der GKV insgesamt führen. Abgesehen davon ist die Unterrichtungspflicht nur in solchen erheblichen Fällen nicht plausibel, als das allgemeine Verfahrensrecht für Strafverfahren für die Anzeige oder den Strafantrag eine solche Beschränkung nicht enthält. Das allgemeine Verfahrensrecht für Strafverfahren wird durch Abs. 4 auch nicht ausgeschlossen, so dass die Einstellung des Verfahrens nach § 153 Abs. 1 StPO möglich bleibt.
Rz. 14a
Ist die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, obliegt dieser die weitere Ermittlung. Dabei kann sie auch weitere Unterlagen und auch Daten von den Stellen anfordern, die darüber verfügen; auch von denen, die den Verdacht mitgeteilt hatten. Bei der Übermittlung von Sozialdaten ist § 73 SGB X (vgl. Komm. dort) zu beachten.