Rz. 7
Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (sog. OTC-Arzneimittel) werden durch das GMG ab 1.1.2004 nach Abs. 1 Satz 1 für Versicherte, die das 12. bzw. bei Entwicklungsstörungen das 18. Lebensjahr vollendet haben, von der Versorgung ausgeschlossen. Diese werden nach Auffassung des Gesetzgebers (BT-Drs. 15/1525 S. 86) bereits bisher in den Apotheken zum überwiegenden Anteil ohne Rezept abgegeben. OTC steht für "over the counter" (= über den Ladentisch). Gemeint sind Arzneimittel, die nicht der im Arzneimittelgesetz geregelten Verschreibungspflicht unterliegen, sondern ohne ärztliches Rezept vom Patienten in der Apotheke oder – falls diese nicht apothekenpflichtig sind – im Drogeriemarkt erworben werden können.
Es handelt sich dabei um Arzneimittel im unteren Preisbereich von durchschnittlich weniger als 11,00 EUR je Packung, was die Herausnahme dieser Arzneimittel aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für den einzelnen Versicherten sozial vertretbar erscheinen lassen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss sollte in Richtlinien gemäß § 92 Abs. 1 Satz. 2 Nr. 6 erstmals bis zum 31.3.2004 bestimmen, welche Arzneimittel gleichwohl ausnahmsweise verordnet werden können. Voraussetzung für eine Verordnung ist jedoch, dass diese Arzneimittel als Standard-Therapie zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung medizinisch notwendig sind, das betreffende Arzneimittel zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung als Therapiestandard gilt und dies in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 vorgesehen ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss nimmt in diese Richtlinien Fertigarzneimittel, die nicht der Verschreibungspflicht unterliegen, auf, sofern diese unverzichtbare Standardwirkstoffe für die Behandlung schwerwiegender Erkrankungen, z. B. für die Onkologie, für die Nachsorge nach Herzinfarkt, zur Behandlung des Klimakteriums, enthalten. Dabei ist die Therapievielfalt zu gewährleisten; Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen, insbesondere der Anthroposophie, Homöopathie und Phytotherapie, sind zu berücksichtigen. Bei den Entscheidungen über Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen sollen Vertreter der besonderen Therapierichtungen gemäß § 92 Abs. 2 Satz 5 und 6 beteiligt werden.
Rz. 8
Eine Bestimmung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ist in Ziff. F 16 der Arzneimittelrichtlinien (AMRL) erfolgt. Nach Ziff. F 16.2 ist eine Krankheit schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt. Nach Ziff. F 16.3 gilt ein Arzneimittel als Therapiestandard, wenn der therapeutische Nutzen zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Ziff. F 16.4 präzisiert sodann die Begriffe schwerwiegende Erkrankungen und Standardtherapeutika.
Nach Ziff. F16.6 sind nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel, die begleitend zu einer medikamentösen Haupttherapie mit zugelassenen, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähigen Arzneimitteln eingesetzt werden (Begleitmedikation), verordnungsfähig, wenn das nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel in der Fachinformation des Hauptarzneimittels als Begleitmedikation zwingend vorgeschrieben ist. Nach Ziff. F 16.7 sind ferner nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel, die zur Behandlung der beim bestimmungsgemäßen Gebrauch eines zugelassenen, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung verordnungsfähigen Arzneimittels auftretenden schädlichen unbeabsichtigten Reaktionen (unerwünschte Arzneimittelwirkungen [UAW]) eingesetzt werden, verordnungsfähig, wenn die UAW schwerwiegend i. S. d. Nr. 16.2 sind.
Rz. 8a
Nach Abs. 1 Satz 4 in der ursprünglichen Fassung durch das GMG hatte der Vertragsarzt bis zum Inkrafttreten der Richtlinien zur Begründung der Verordnung patientenbezogene Angaben zum verordneten Arzneimittel in Verbindung mit der jeweiligen Diagnose zu erfassen und zu dokumentieren. Diese Dokumentation musste geeignet sein, die Notwendigkeit der Verordnung hinreichend zu belegen. Bis zum Inkrafttreten der Liste entschied allein der Arzt im Einzelfall, welches nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel er zur Behandlung schwerwiegender Erkrankungen verordnete. Er hatte dabei die Kriterien, die auch der Gemeinsame Bundesausschuss bei der Erstellung der Richtlinien zur ausnahmsweisen Verordnungsfähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel bei der Entscheidung zugrunde zu legen hat, zu berücksichtigen.
Rz. 8b
Das GKV-WSG hat den bisherigen Satz 4 entfallen lassen, da die Richtlinien nach Satz 2 bereits in Kraft sind. Der neu eingefügte Satz 4 beinhaltet eine Verpflichtung des Gemeinsamen Bundesausschusses, auf der Grundlage der nach Satz 2 ausnahmsweise verordnungsfähigen, nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel eine entsprechende Liste mit Fertigarzneimitteln zu erstellen. Diese Liste soll der verbesserten Transparenz der verordnende...