Rz. 20
Der Anspruch auf vollstationäre Krankenhausbehandlung als medizinische Versorgung mit den spezifischen Mitteln eines Krankenhauses (vgl. BSG v. 12.11.1985, 3 RK 33/84) setzt voraus, dass diese erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung erreicht werden kann (Abs. 1 Satz 2; BSG, Urteil v. 19.4.2016, B 1 KR 21/15 R). Die vollstationäre Krankenhausbehandlung ist damit nachrangig gegenüber allen anderen Arten der Krankenbehandlung. Dieser Nachrang trägt deren Bedeutung als medizinisch intensivster und aufwendigster Form der Krankenbehandlung Rechnung und stellt eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebotes nach § 12 Abs. 1 dar (BSG, Urteil v. 13.12.2016, B 1 KR 1/16 R; vgl. ferner auch die Richtlinie über die Verordnung von Krankenhausbehandlung, g-ba.de). Versicherungsfall i. S. d. § 39, der einen Rechtsanspruch auf die zu erbringende Sachleistung auslöst, ist die Krankheit. Krankheit i. S. d. gesetzlichen Krankenversicherung ist ein regelwidriger Körper-, Geistes- oder Seelenzustand, der Heilbehandlung notwendig macht und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Obwohl § 39 im Gegensatz zu § 184 Abs. 1 RVO nicht ausdrücklich erwähnt, dass Krankenhausbehandlung auch erforderlich werden kann, um eine Krankheit zu erkennen, ist Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit zu bejahen, wenn nur so die genaue Erkennung der Krankheit etwa durch Diagnosestellung mit den Mitteln des Krankenhauses und/oder Verlaufsbeobachtung möglich ist.
Rz. 21
Die Frage nach der Erforderlichkeit der Krankenhausaufnahme beantwortet sich allein aus der medizinischen Notwendigkeit zum Erreichender im Gesetz genannten Behandlungsziele der Krankenhausbehandlung. Sie setzt damit zunächst Behandlungsbedürftigkeit voraus, die zu bejahen ist, wenn die zielgerichtete Behandlung der bestehenden Krankheit möglich ist und im Einzelfall eine gewisse Aussicht auf Erreichung mindestens eines der Behandlungsziele des § 27 Abs. 1 Satz 1 besteht. Lässt sich das Behandlungsziel nicht erreichen oder ist es durch die Krankenhausbehandlung erreicht worden, entfällt die Erforderlichkeit (BSG, GS, Beschluss v. 25.9.2007, GS 1/06). Eine Krankenhausbehandlung ist somit dann erforderlich, wenn eine Heilung oder Besserung des Leidens mit der Folge einer voraussehbaren Entlassung aus dem Krankenhaus zu erwarten ist, und dafür die besonderen Mittel des Krankenhauses erforderlich sind (BSG, Urteil v. 4.4.2006, B 1 KR 32/04 R; Urteil v. 13.5.2004, B 3 KR 18/03 R). Besondere Mittel in diesem Sinne sind eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal sowie ein jederzeit rufbereiter Arzt (std. Rspr., vgl. nur BSG, Urteil v. 19.11.2019, B 1 KR 13/19 R, m. w. N.). Immer ist zu prüfen, ob notwendige ärztliche Maßnahmen wie Medikation, deren Überwachung und Anpassung nicht auch durch begleitende ambulante ärztliche Betreuung bei einer anderweitigen, die Grundpflege erbringenden Unterbringung sichergestellt werden können. Die gelegentliche Hinzuziehung eines Notfallarztes oder eine kurzfristige Krankenhauseinweisung stehen dem nicht entgegen. Selbst ständig erforderliche Betreuung durch psychiatrisch geschultes Personal bedeutet allein noch keine Krankenhauspflegebedürftigkeit und kann auch bei anderweitiger Unterbringung gewährleistet sein.
Gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 ist die Notwendigkeit (Erforderlichkeit) der vollstationären Krankenhausbehandlung vom Krankenhaus eigenverantwortlich zu prüfen (dazu näher unter 2.4).
Rz. 22
Die medizinische Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung ist in einigen Fallgestaltungen nicht gegeben, selbst wenn der relevante Zustand auf eine Krankheit zurückzuführen ist (vgl. zum Folgenden BSG, Urteil v. 16.2.2005, B 1 KR 18/03 R):
- Nicht ausreichend ist der Zweck, einem Zustand der Hilflosigkeit zu begegnen, eine Gefährdung der eigenen Person oder anderer zu beseitigen, das Fehlen eines geeigneten Pflegeheimplatzes auszugleichen oder eine an sich erforderliche Behandlung in einer Kur- oder Spezialeinrichtung zu ersetzen (so bereits BSG, Urteile v. 12.3.1985, 3 RK 15/84 und v. 12.11.1985, 3 RK 45/83 und 3 RK 33/84 sowie LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 3.3.1988, L 16 Kr 72/82). Maßnahmen, die lediglich dem Zweck dienen, einem Zustand der Hilflosigkeit zu begegnen, fehlt die medizinische Notwendigkeit der Behandlung in einem Krankenhaus.
- Die Unterbringung des Betroffenen in einer geschlossenen Anstalt mit dem Ziel der Verwahrung, begründet ebenfalls keinen Anspruch auf Behandlung in einem Krankenhaus.
- Um Krankenhauspflegebedürftigkeit zu bejahen, genügen auch soziale oder humanitäre Gründe nicht. Bloße primär nichtärztliche Maßnahmen mit dem Ziel, eine selbstständige Lebensführung zu ermöglichen oder die Verwahrlosung des Betroffenen zu verhindern, schließen ebenso eine Leistungsgewährung für stationäre Krankenhausbehandlung aus.
- Auch die Möglichkeit, dass es in größeren Zeitabständen zu Komplikationen kommt, die die Hinzuziehung eines Notarztes oder die vor...