Rz. 28
Können arbeitsunfähige Versicherte nach ärztlicher Feststellung ihre bisherige Tätigkeit teilweise verrichten und können sie durch eine stufenweise Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit voraussichtlich besser wieder in das Erwerbsleben eingegliedert werden, soll der Arzt auf der Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit Art und Umfang der möglichen Tätigkeiten angeben (vgl. § 74 Satz 1).
Bei Arbeitsunfähigkeit kann eine Rückkehr an den Arbeitsplatz auch bei weiterhin notwendiger Behandlung sowohl betrieblich möglich als auch aus therapeutischen Gründen angezeigt sein. Über den Weg der stufenweisen Wiedereingliederung werden Arbeitnehmer bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit individuell – d. h. je nach Krankheit und bisheriger Arbeitsunfähigkeitsdauer schonend, aber kontinuierlich – an die Belastungen ihres Arbeitsplatzes herangeführt. Die infolge der krankheitsbedingten Einschränkung der Leistungsfähigkeit zu vermeidenden arbeitsbedingten Belastungen sind vom Arzt zu definieren. Die Arbeitnehmer erhalten damit die Möglichkeit, ihre Belastbarkeit entsprechend dem Stand der wieder erreichten körperlichen, geistigen und seelischen Leistungsfähigkeit zu steigern. Dabei sollte die Wiedereingliederungsphase i. d. R. einen Zeitraum von 6 Monaten nicht überschreiten (vgl. § 7 AU-RL i. V. m. Ziff. 1 und 3 der Anlage "Empfehlungen zur Umsetzung der stufenweisen Wiedereingliederung", Fundstelle Rz. 40).
Ziel ist immer die Rückkehr an den alten Arbeitsplatz. Dieser definiert sich nicht als Ort in Form desselben "Schreibtisches", sondern als Ort, bei dem beim selben Arbeitgeber identische Arbeitsplatzanforderungen bestehen.
Rz. 29
Die Arbeitsunfähigkeit besteht auch während einer stufenweisen Wiederaufnahme der Arbeit fort (§ 2 Abs. 2 Satz 1 AU-RL). In diesen Fällen wird also die bestehende Arbeitsunfähigkeit dadurch nicht beendet, denn das zum Zwecke der Wiedereingliederung begründete Rechtsverhältnis ist ein solches eigener Art i. S. d. § 305 BGB, in dem nicht die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht wird, sondern die Rehabilitation des Arbeitnehmers im Vordergrund steht. Da der Arbeitnehmer im Wiedereingliederungsverfahren nicht die geschuldete Arbeitsleistung erbringt und wegen seiner Arbeitsunfähigkeit auch gar nicht im vereinbarten Umfang erbringen kann, besteht kein Anspruch auf Entgelt für die geleistete Tätigkeit (BAG Urteil v. 29.1.1992, 5 AZR 37/91).
Der Versicherte hat weiterhin Anspruch auf das volle Krankengeld; sofern der Arbeitgeber allerdings für die erbrachte Arbeitsleistung auf freiwilliger Basis Arbeitsentgelt zahlt, führt dies ggf. zum Ruhen des Krankengeldes nach § 49 Abs. 1 Nr. 1.
Einzelheiten zur stufenweisen Wiedereingliederung ergeben sich aus den Kommentierungen zu § 74 SGB V und § 44 SGB IX.