Rz. 35

Versicherte haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse, welche Leistungen und unterstützende Angebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind (§ 44 Abs. 4 SGB V).

Zwar haben die Krankenkassen als Rehabilitationsträger nach dem SGB IX die Verpflichtung,

aber diese Verpflichtungen greifen nur, wenn eine Behinderung eingetreten ist oder einzutreten droht (§ 2 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 2 SGB IX).

Viele arbeitsunfähige Versicherte sind aber weder behindert, noch von Behinderung bedroht. Sie haben jedoch das Bedürfnis, von der Krankenkasse Unterstützung und Beratung zu erhalten – insbesondere bei länger andauernder Arbeitsunfähigkeit. Ziel ist die Erlangung der Arbeitsfähigkeit und die Abklärung von medizinischen Leistungen zur Besserung des Gesundheitszustandes. Mit § 44 Abs. 4 übernimmt die Krankenkasse hier die Funktion des "Kümmerers" – allerdings nur dann, wenn der Versicherte das auch möchte; bei einer fehlenden Einwilligung des Versicherten bzw. bei Widerruf der Einwilligung darf die Krankenkasse den Versicherten in ihrem Leistungsgeschehen nicht benachteiligen. Außerdem dürfen die Mitwirkungspflichten gemäß den §§ 60 ff. SGB I einschließlich der Folgen bei fehlender Mitwirkung von der Krankenkasse im Zusammenhang mit § 44 Abs. 4 nicht angewandt werden.

 

Rz. 36

Wegen des Datenschutzes ("Verarbeitung von Sozialdaten"; vgl. §§ 67 ff. SGB X) hat die Krankenkasse regelmäßig Probleme, allein Erkenntnisse zu sammeln, um gezielte Maßnahmen zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit zu erkennen. Zur Abklärung möglicher "Hilfen" ist die Krankenkasse auf Informationen des Versicherten, seines Arztes oder des Medizinischen Dienstes (MD) angewiesen. Möchte die Krankenkasse den MD einschalten, bittet sie ihn um eine gutachtliche Stellungnahme zwecks Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit (§ 275 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V). In seiner gutachtlichen Stellungnahme hat dann der MD-Gutachter zu prüfen, ob Leistungen geeignet erscheinen, die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zu beschleunigen. Die Ergebnisse werden dann der Krankenkasse mitgeteilt. Der MD ist grundsätzlich nicht berechtigt, selbst therapeutische Leistungen zu erbringen oder zu verordnen.

Hat die Krankenkasse erste Ansatzpunkte erhalten, wie möglicherweise die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden kann, bittet sie den Versicherten, einem "Krankengeldfallmanagement" i. S. d. § 44 Abs. 4 zuzustimmen. Gemäß § 44 Abs. 4 S. 3 und 4 darf nämlich eine weitere Verarbeitung der Daten des Versicherten nur nach vorheriger schriftlicher oder elektronischer Information des Versicherten erfolgen. Der Versicherte wiederum muss der Krankenkasse schriftlich oder elektronisch (z. B. durch E-Mail) seine Zustimmung für das Krankengeldfallmanagement und der damit verbundenen Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung der Gesundheitsdaten etc. geben.

Nach der Einwilligung des Versicherten und weiterer Auswertungen durch die Krankenkasse erfolgt in der Praxis ein erstes persönliches oder telefonisches "Beratungsgespräch" zwischen dem Sachbearbeiter der Krankenkasse (i. d. R. Krankengeldfallmanager) und dem Versicherten. Damit die Krankenkasse später Maßnahmen vorschlagen und auf eine Antragstellung hinwirken kann, benötigt sie hierzu auch vom Versicherten oder von Dritten meist noch zusätzliche Informationen – und zwar je nach Bedarf z. B.

  • zum jetzigen und zum zu erwartenden Gesundheitszustand,
  • zu den letzten beruflichen Verhältnissen und Anforderungen,
  • bezüglich der Erwartungen des Versicherten zu seiner beruflichen und finanziellen Zukunft,
  • zu seiner Bereitschaft bezüglich der Teilnahme an speziellen medizinischen Rehabilitations- bzw. beruflichen Teilhabeleistungen oder
  • zu seiner Bereitschaft zur stufenweisen Wiedereingliederung (§ 44 SGB IX).

Der Versicherte kann allerdings auch jederzeit persönliche Fragen an die Krankenkasse richten und jederzeit das Fallmanagement beenden, ohne dass ihm aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht Nachteile entstehen.

Am Ende eines erfolgreichen Gesprächs wird der Krankenkassenmitarbeiter dem Versicherten mögliche Aktivitäten/Maßnahmen vorschlagen. Deren Einleitung und Durchführung bedarf auch immer der Einwilligung des Versicherten; § 51 bleibt unberührt.

 

Rz. 37

Die Gesetzesbegründung zu § 44 Abs. 4 (BT-Drs. 18/4095 S. 78 ff.) befasst sich intensiv mit den Hintergründen zur Entstehungsgeschichte und mit dem Rahmen, den die Krankenkassen nutzen dürfen. Im Einzelnen heißt es in der Gesetzesbegründung:

Zitat

Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustel...

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