Rz. 280a
Nach der bis zum 31.12.2016 geltenden Rechtslage waren Halb- oder Vollwaisenrentner in der gesetzlichen Krankenversicherung nur nach Nr. 11 versicherungspflichtig, wenn sie selbst oder die Person, von der die gesetzliche Rente abgleitet wurde, die Vorversicherungszeit für die KVdR erfüllten. Andernfalls kam für Halb- oder Vollwaisenrentner eine beitragsfreie Familienversicherung über den anderen Elternteil bzw. über die Großeltern oder Pflegeeltern in Betracht, sofern diese Personen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung waren und die betroffenen Kinder die maßgeblichen Alters- und Einkommensgrenzen nicht überschritten. Sonst blieb nur noch die Möglichkeit einer freiwilligen Mitgliedschaft, allerdings mit den dort geltenden Beitragspflichten unter Anwendung einer höheren Mindestbemessungsgrundlage nach § 240 Abs. 4 Satz 1.
Diese Schlechterstellung wollte der Gesetzgeber beheben und führt zur Begründung der Regelung in BT-Drs. 18/6905 S. 74 ff. Folgendes aus:
Zitat
Die besondere Lebens- und Einkommenssituation von Waisenrentnern rechtfertigt eine gesonderte versicherungsrechtliche Behandlung dieser Personengruppe. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem Beschluss vom 12. Oktober 1976 (1 BvL 9/74, Rn. 34 f.; zitiert nach juris) ausgeführt, dass zu den selbstverständlichen Verpflichtungen eines Sozialstaates auch die Verpflichtung zähle, jugendlichen Waisen, die sich nicht selbst unterhalten können, Hilfe zu leisten. Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt, dass die Entscheidung darüber, wie den Waisen Schutz zu gewähren ist, dem Gesetzgeber obliegt, dem die Verfassung einen Spielraum für seine Gestaltung belasse. Auch das Bundessozialgericht verweist in seiner Entscheidung vom 4. September 2013 (B 12 KR 13/11 R, Rn. 40; zitiert nach juris) auf den weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der sozialstaatlichen Ordnung.
Den versicherungspflichtigen Personenkreis grenzt der Gesetzgeber einerseits nach dem Gedanken der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen ab und andererseits nach dem Aspekt der Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft (s. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom15. März 2000, 1 BvL 16/96 u. a., BVerfGE 102, S. 68). Durch die Versicherungspflicht in der GKV kann ein ausreichender, finanzierbarer Versicherungsschutz erreicht werden, indem die finanziell Starken die Schwachen, die Gesunden die Kranken und die Jungen die Älteren unterstützen. Dieses Solidaritätsprinzip ist einer der Hauptpfeiler der GKV.
Minderjährige Kinder oder Kinder, die nicht erwerbstätig sind oder sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden, werden als sozial schutzbedürftig angesehen und sind schon nach geltendem Recht unter den Voraussetzungen des § 10 in die Familienversicherung einbezogen. Die Regelung berücksichtigt dabei, dass die Eltern ihren Kindern gegenüber unterhaltsverpflichtet sind. Dieser Unterhalt entfällt mit dem Tod eines oder beider Elternteile.
In typisierender Betrachtung ist es daher gerechtfertigt, bisher gesetzlich versicherte Waisenrentner sowie Waisenrentner, die die Voraussetzungen für die Familienversicherung dem Grunde nach erfüllen, auch unabhängig von der Länge der Vorversicherungszeiten in die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten einzubeziehen. Diese Waisen sind regelmäßig noch nicht erwerbstätig oder befinden sich in Schul- oder Berufsausbildung.
Einbezogen in diese Versicherungspflicht werden damit alle Waisenrentner, die nach bisher geltendem Recht entweder bereits pflichtversichert nach § 5 Abs. 1 Nummer 11 waren, die Voraussetzungen für die Familienversicherung erfüllten oder eine freiwillige Mitgliedschaft begründen mussten. Außerdem werden Waisen von der Versicherungspflicht erfasst, die über den überlebenden Elternteil, ihre Großeltern oder Pflegeeltern die Voraussetzungen für eine Familienversicherung erfüllen würden und somit auch nach bisher geltendem Recht in die Solidargemeinschaft der gesetzlich Versicherten einbezogen waren. Die Vorrangregelung in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nummer 2 bleibt bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Familienversicherung außer Betracht.
Wie bereits nach bisher geltendem Recht werden von dem neuen Versicherungspflichttatbestand Kinder erfasst, die eine gesetzliche Waisenrente nach § 48 SGB VI beziehen. Diese Kinder, die aufgrund der Einbeziehung ihres verstorbenen Elternteils bzw. beider verstorbenen Elternteile in die gesetzliche Rentenversicherung in diesem Versicherungssystem als schutzbedürftig anerkannt werden, sind auch in den Schutzbereich der GKV einbezogen. Waren die Eltern hingegen sowohl in der gesetzlichen Rentenversicherung als auch in der GKV versicherungsfrei oder nicht versicherungspflichtig und haben ihre Absicherung für den Fall der Krankheit sowie für das Alter bzw. ihre Hinterbliebenen regelmäßig eigenverantwortlich bzw. über ein anderes System sichergestellt, besteht auch keine hinreichende Rechtfertigung, ihre Kinder als Waisen in die Pflich...