Rz. 60
Voraussetzung der Versicherungspflicht ist der Bezug von Bürgergeld. Bürgergeld nach § 19 SGB II ist eine bedürftigkeitsabhängige Leistung (vgl. § 9 SGB II und Komm. dort), die sich aus den verschiedenen Leistungen aus unterschiedlichen Anspruchsgrundlagen des SGB II zusammensetzt. Dazu gehören einerseits die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Mehrbedarfe, andererseits die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung und ggf. ein befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II (vgl. §§ 19, 20, 21, 22, 24 SGB II und Komm. dort). Jede einzelne dieser Leistungen und nicht nur die Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II löst als Bürgergeld die Versicherungspflicht aus. Dies gilt auch dann, wenn die Leistungen nicht als Geld-, sondern ganz oder teilweise als Sachleistungen (vgl. § 24 SGB II) erbracht werden. Wie beim ALG gilt auch für das Bürgergeld, dass Beginn und Ende der Mitgliedschaft von der Zeit abhängig sind, für die die Leistung gewährt wird. Auch hier gilt, dass die Krankenkassen als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung die Tatbestandswirkung von Bürgergeld bewilligenden Verwaltungsakten grundsätzlich ohne eigenes Prüfungsrecht hinzunehmen haben (BSG, Urteil v. 24.6.2008, B 12 KR 29/07 R zum damaligen ALG II).
Rz. 61
Ausdrücklich ausgenommen sind als Versicherungspflicht auslösende Leistungen einerseits die darlehensweise Gewährung von Leistungen (vgl. § 24 Abs. 1, 4 und 5 SGB II und Komm. dort) und die alleinigen Leistungen des § 24 Abs. 3 Satz 1 SGB II (vgl. Komm. dort), die die Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten, Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt sowie die Anschaffung und Reparaturen von orthopädischen Schuhen, Reparaturen von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen sowie die Miete von therapeutischen Geräten betreffen. Keine Krankenversicherungspflicht lösen auch die Zahlung von Leistungen an Auszubildende i. S. d. § 7 Abs. 5 SGB II nach § 27 SGB II aus, denn die Leistungen an Auszubildende gelten nach in § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht als Leistung von Bürgergeld. Keine Krankenversicherungspflicht begründen auch die Leistungen nach § 28 SGB II für Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die neben dem Regelbedarf nach Maßgabe des § 28 Abs. 2 bis 7 SGB II gesondert berücksichtigt werden. Keine Krankenversicherungspflicht wird durch die Zahlung/Übernahme von Beiträgen nach § 26 SGB II ausgelöst.
Rz. 62
Keine Versicherungspflicht löst auch die Zahlung von Sozialgeld nach § 19 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 23 SGB II für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die in einer Bedarfsgemeinschaft mit einem Erwerbsfähigen leben, aus. Auch das Einstiegsgeld nach § 16b SGB II, dass als Ermessensleistung erbracht werden kann, begründet für sich allein keine Versicherungspflicht.
Rz. 63
Die Versicherungspflicht endet, wenn alle maßgeblichen Leistungen des Bürgergeldes entfallen (vgl. Komm. zu § 190). Das kann wegen entfallender Bedürftigkeit oder infolge der Sanktionsvorschriften der §§ 31 ff. SGB II, insbesondere des § 31a SGB II mit dem Wegfall aller Leistungen bei fehlender Mitwirkung bei der Eingliederung in Arbeit (vgl. Komm. zu § 31 SGB II) eintreten (zu den Folgen vgl. Strömer, SGb 2010, 64).
Rz. 64
Die Versicherungspflicht nach Nr. 2a wies bis 31.12.2015 die Besonderheit auf, dass sie gegenüber einer Familienversicherung nachrangig war. Mit Art. 1 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa des GKV-FQWG v. 21.7.2014 (BGBl. I S. 1133) wurde mit Wirkung zum 1.1.2016 (Art. 17 Abs. 2 GKV-FQWG) dieser Vorrang der Familienversicherung aufgehoben. In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/1307 S. 32) ist dazu ausgeführt: "Aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II sind zukünftig alle erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in der gesetzlichen Krankenversicherung einheitlich versicherungspflichtig, soweit sie nicht privat krankenversichert oder dem System der privaten Krankenversicherung zuzuordnen sind. Die Familienversicherung ist nicht mehr vorrangig vor der Versicherungspflicht aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II. Bisher waren Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II nach dem SGB II bezogen haben, nur dann versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung, soweit sie nicht nach § 10 SGB V vorrangig familienversichert waren. Die notwendige Prüfung, ob eine Familienversicherung vorrangig ist, war für die Jobcenter und die Krankenkassen verwaltungsaufwändig und fehleranfällig. Diese Prüfung entfällt nun für Beziehende von Arbeitslosengeld II. Zukünftig gibt es einen einheitlichen Versicherungspflichttatbestand wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II." In Ergänzung dazu wurde in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Vorrang auch der Versicherungspflicht nach Abs. 1 Nr. 2a gegenüber einer Familienversicherung eingefügt.
Rz. 65
Die Krankenversicherungspflicht setzt den Bezug von ...