0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz – GRG) v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2477) mit Wirkung zum 1.1.1989 in das SGB V eingefügt und hat am 1.1.2004 im Rahmen der Neuregelung bei Zuzahlungen durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) v. 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) die bisherige Überforderungsklausel abgelöst. Aufgrund der Einordnung des Sozialhilferechts in das SGB ab 1.1.2005 wurde Abs. 2 Satz 5 redaktionell angepasst. Durch das Kommunale Optionsgesetz v. 30.7.2004 (BGBl. I S. 2014) ist Abs. 2 Satz 6 zum 6.8.2004 angefügt worden. Das Verwaltungsvereinfachungsgesetz v. 21.3.2005 (BGBl. I S. 818) fasste Abs. 2 Satz 5 Nr. 1 zum 30.3.2005 neu.
Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) v. 26.3.2007 (BGBl. I S. 378), das am 1.4.2007 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber die Anforderungen für die Belastungsgrenze chronisch Kranker, wenn sie sich nicht therapiegerecht verhalten, verschärft und in Abs. 1 die Sätze 3 bis 5 und die Sätze 7 bis 9 eingefügt. Der frühere Abs. 1 Satz 3 wurde Satz 6 und Abs. 1 Satz 4 wurde Satz 10. Ein neuer Abs. 5 wurde angefügt.
Abs. 4 wurde mit Wirkung zum 1.1.2012 durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz – GKV-VStG) vom 22.12.2011 (BGBl. I S. 2983) aufgehoben, nachdem die Vorschrift zeitlich überholt war; ebenfalls wurde der Termin in Abs. 1 Satz 5 im Hinblick auf die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gestrichen.
Mit dem "Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister (Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz – KFRG)" vom 3.4.2013 (BGBl. I S. 617) wurden mit Wirkung zum 9.4.2013 die Abs. 1 und 2 teilweise neu gefasst, Abs. 1 Satz 3, 4, 6 und 9 geändert und Abs. 1 Satz 7 und 8 aufgehoben. In Abs. 2 haben die Sätze 1, 3, 5 und 6 Änderungen erfahren und es wurde ein neuer Satz 7 angefügt.
Rz. 1a
Das Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen (MDK-Reformgesetz) v. 14.12.2019 (BGBl. I S. 2789) hat mit Wirkung zum 1.1.2020 in Abs. 1 Satz 6 geändert. Die Änderungen sind redaktionelle Folgeänderungen, mit denen der Name "Medizinischer Dienst der Krankenversicherung" durch den Namen "Medizinischer Dienst" ersetzt wird.
Rz. 1b
Art. 1 Nr. 17 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG) v. 11.7.2021 (BGBl. I S. 2754) hat mit Wirkung zum 20.7.2021 Abs. 5 zur Rechtsbereinigung wegen des zwischenzeitlich gegenstandslos gewordenen Evaluierungsauftrags aufgehoben.
1 Allgemeines
Rz. 1c
§ 62 enthält einen Rechtsanspruch auf Befreiung von Zuzahlungen. Die Krankenkasse ist unabhängig von einem Antrag verpflichtet, dem Versicherten bei Erreichen der Belastungsgrenze eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für den Rest des Kalenderjahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind. Dadurch sollen die Versicherten einerseits vor finanziellen Überforderungen geschützt, andererseits aber auch mit zumutbaren Zuzahlungen belastet werden. Die Freistellung von Zuzahlungen tritt kraft Gesetzes ein, sobald die Belastungsgrenze erreicht ist.
Die Regelungen sind für alle Krankenkassen gleichermaßen verbindlich. Damit will der Gesetzgeber erreichen, dass bei einheitlichen Beurteilungskriterien gleiche Maßstäbe angewendet und die Regelungen über die Belastungsgrenze nicht als Mittel des Wettbewerbs eingesetzt werden. Darüber hinaus liegt dem Härteausgleich das Solidarprinzip zugrunde, insbesondere in der Abgrenzung zur Eigenverantwortung des Versicherten.
Seit 1.1.2001 gelten für alle Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in den alten und neuen Bundesländern die gleichen (West-)Bedingungen, Grenzen und Werte. Auch im Bereich der Härtefallregelungen wurden die Befreiungsgrenzen auf West-Niveau angehoben.
Auch nach dem Wegfall der Praxisgebühr zum 1.1.2013 – 10,00 EUR beim ersten Arzt- oder Zahnarztbesuch je Quartal – liegt die jährliche Belastungsgrenze für Zuzahlungen bei 2 % des Bruttoeinkommens und für chronisch Kranke bei 1 %.
Während Abs. 1 die Höhe der Zuzahlungen, die Versicherte zu leisten haben, bis zu einer bestimmten Belastungsgrenze regelt und dabei die Belastungsgrenzen in Prozentwerten der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt aller Haushaltsangehörigen beschreibt, enthält Abs. 2 die Ermittlung der Belastungsgrenzen. Zweckgebundene Einkünfte werden nicht berücksichtigt. Für Bezieher bestimmter Sozialleistungen (z. B. Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) wird die Belastungsgrenze für die Bedarfsgemeinschaft durch den Regelsatz für den Haushaltsvorstand nach dem SGB XII bzw. dem Alleinstehenden-Regelbedarf nach dem SGB II bestimmt. In Abs. 3 ist die Ausstellung der Bescheinigung durch die Krankenkasse für die Befreiung von Zuzahlungen geregelt.
2 Rechtspraxis
2.1 Allgemeine Belastungsgrenze
Rz. 2
Versicherte der gesetzlichen K...