Rz. 2
Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG ist es Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Dieser Auftrag gilt gerade auch in dem sensiblen Feld der Pflege, bei welcher der betroffene Mensch Adressat von an seinem Körper durchgeführten Verrichtungen ist. Es soll Ziel der Leistungen der Pflegeversicherung nach Abs. 1 sein, den Pflegebedürftigen ungeachtet ihrer Hilfebedürftigkeit dabei zu helfen, ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben in Menschenwürde zu führen. Zur Förderung der Selbständigkeit sind die Hilfen darauf auszurichten, die Kräfte des Pflegebedürftigen wiederzugewinnen oder zu erhalten. Diese Zielrichtung des Gesetzes ist etwa bei Auslegung der Einzelnormen des § 40 zu beachten, wenn es um Pflegehilfsmittel oder wohnumfeldverbessernde Maßnahmen geht (vgl. etwa LSG Saarland, Urteil v. 28.4.2009, L 2 P 4/08, RDG 2010 S. 68, sowie LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 15.12.2008, L 27 B 127/08 PER). Die Versorgung eines inkontinenten Menschen mit Windeln verstößt indes nach der Rechtsprechung des BSG nicht gegen die Würde des Menschen, ist nicht körperlich unzumutbar und kein Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht der Pflegebedürftigen. Es besteht daher keine Verpflichtung der Pflegekasse, bei der Ermittlung des Hilfebedarfs von einer zeitaufwendigeren Alternativversorgung auszugehen (BSG, Urteil v. 31.8.2000, B 3 P 16/99 R, SGb 2001 S. 177).
Mit Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs kommt der aktivierende Pflege eine entscheidende Bedeutung zu. Die Ergänzung des § 2 Abs. 1 Satz 2 trägt dem Umstand Rechnung, dass § 28 Abs. 4 (i. d. F. bis 31.12.2016) aufgehoben wurde, gleichzeitig aber klargestellt werden soll, dass Pflege – auch und gerade unter Geltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs – aktivierend zu erbringen ist. Aktivierende Maßnahmen sollen alle körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen einbeziehen, aber auch die Hilfen bei der Haushaltsführung und die Organisation des Tagesablaufs geben. Soweit möglich sollen sich die Angehörigen an der aktivierenden Pflege beteiligen. Das kann z. B. in Form von psychologischer und persönlicher Hilfestellung beim Aufstehen und Umhergehen, in Form geistiger Anregung bei alleinstehenden und vereinsamten Menschen oder als Anleitung zum selbständigen Essen, Trinken oder Blutdruckmessen geschehen. Die aktivierende Pflege stellt keine besondere, eigenständige Leistung dar. Sie ist vielmehr Bestandteil aller zu erbringenden Leistungen und Ziel der Pflege insgesamt.