2.1 Träger und Inhalt des Sicherstellungsauftrags (Satz 1)
Rz. 3
Träger und Adressat des Sicherstellungsauftrags sind ausschließlich die Pflegekassen. Demgegenüber sind die Pflegeeinrichtungen nach dem Willen des Gesetzgebers von der unmittelbaren gesetzlichen Verantwortung für die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung ausgenommen. Dies unterscheidet die Regelung des Satzes 1 von der im Übrigen aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zum dort normierten Sicherstellungsauftrag wortgleich übernommenen Regelung des § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V, die auch den Leistungserbringern inhaltsgleiche Verpflichtungen zur Erfüllung des Sicherstellungsauftrags auferlegt. Lediglich mittelbar werden die Pflegeeinrichtungen und sonstigen Leistungserbringer über die in Versorgungsverträgen gemäß § 72 und in Verträgen nach § 77 Abs. 1 zu treffenden Vereinbarungen zur (Mit-) Verantwortung für die Erfüllung des Sicherstellungsauftrags herangezogen (zur generellen Qualitätsverantwortung der Träger der Pflegeeinrichtungen vgl. auch § 112).
Rz. 4
Inhalt des Sicherstellungsauftrags ist nach Satz 1 die den Pflegekassen übertragene Gewährtragungspflicht, für eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse entsprechende pflegerische Versorgung Sorge zu tragen. Zur Erreichung dieses Ziels stellt das Gesetz qualitative Anforderungen an die Pflegeeinrichtungen. Nach der Begriffsdefinition des § 71 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 handelt es sich nur dann um Pflegeeinrichtungen im Sinne des Gesetzes, wenn diese Einrichtungen unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegekraft stehen (vgl. auch § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1). Entsprechendes gilt für die gemäß § 71 Abs. 1a seit 11.5.2019 durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz v. 6.5.2019 (BGBl. I S. 646) als weitere Leistungserbringer zugelassenen ambulanten Betreuungsdienste.
Nicht mehr unmittelbarer Gegenstand des gesetzlichen Sicherstellungsauftrags ist der nach früherem Recht vorgesehene und durch Aufhebung des § 80a durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz mit Wirkung zum 1.6.2008 ersatzlos weggefallene Abschluss von Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen. Der Gesetzgeber hat damit aber sein Anliegen, bei der Pflege einen Mindeststandard zu garantieren, der den Vorgaben des § 2 Abs. 1 entspricht (so schon BSG, Urteil v. 6.8.1998, B 3 P 8/97 R, zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Pflegequalitätssicherungsgesetzes zum 1.1.2002), nicht aufgegeben. Zum einen sind die Pflegekassen und deren Verbände nämlich neben den zugelassenen Pflegeeinrichtungen seit 1.7.2008 gemäß § 113 Abs. 1 Satz 10 unmittelbar den nach dieser Vorschrift auf Spitzenebene zu treffenden Vereinbarungen über Maßstäbe und Grundsätze für die Qualität und Qualitätssicherung in der ambulanten und stationären Pflege sowie den bundesweiten Vereinbarungen zur Entwicklung eines einrichtungsinternen Qualitätsmanagements unterworfen; zum anderen dürfen gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und 4 Versorgungsverträge auch nur mit Pflegeeinrichtungen geschlossen werden, soweit diese sich vertraglich verpflichten, nach Maßgabe der Vereinbarungen gemäß § 113 einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln. Einen weiteren Beitrag zur Qualitätssicherung im stationären Bereich leistet die in § 84 Abs. 5 Satz 1 getroffene Regelung, wonach in der Pflegesatzvereinbarung die wesentlichen Leistungs- und Qualitätsmerkmale der Einrichtung festzulegen sind.
Rz. 5
Im Kern knüpft Satz 1 an die ordnungsgemäße Erfüllung des Sicherstellungsauftrags 3 wesentliche Voraussetzungen. Die pflegerische Versorgung muss bedarfsgerecht und gleichmäßig sein und sie muss dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse entsprechen.
"Bedarfsgerechte" und "gleichmäßige" Versorgung im Sinne des Gesetzes bedeutet nichts anderes, als dass hiernach die Pflegekassen aufgefordert sind, flächendeckend durch eine hinreichende Anzahl von Leistungsanbietern eine ausreichende Versorgung der Versicherten sicherzustellen. Allerdings ist den Pflegekassen das Instrumentarium einer "Bedarfsplanung", wie sie z. B. das SGB V für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung vorsieht (§ 99), nicht gegeben. Einer gegenteiligen rechtlichen Betrachtung stünde auch entgegen, dass Pflegeeinrichtungen, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, gemäß § 72 Abs. 3 Satz 1 HS 2 einen Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages haben (Kontrahierungszwang). Hieraus folgt, dass die Pflegekassen in quantitativer Hinsicht letztlich nur geringen Einfluss haben, weil sie – von der häuslichen Pflege durch Einzelpersonen gemäß § 77 abgesehen – Eigeneinrichtungen nicht betreiben dürfen und ihnen auch sonst keine Mittel zur Steuerung der Versorgungsdichte zu Gebote stehen. Etwas anders stellt sich die Sachlage insoweit dar, als eine bedarfsgerechte Versorgung i. S. d. Satz 1 neben einer Mindestausstattung mit Pflegeeinrichtungen eine hinreichende Ausrichtung der Leistungen am individuellen Pflegebedarf verlangt. Diesem Erfordern...